Biomasse-Restströme regional nutzen: Baden-Württemberg fördert „Carbonauten“


An dem Projekt sind die Carbonauten GmbH und das Fachgebiet Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe der Universität Hohenheim beteiligt. Wie das Start-up aus Giengen an der Brenz mitteilte, soll als Resultat des Projekts ein Anlagenmodul entstehen, mit dem sich aus Biorestmasse gewonnene Biokohlenstoffe durch Wasserdampf aktivieren lässt. „Die Carbonauten“ haben große Pläne und richten sich mit ihrer Technologie insbesondere an Städte und Gemeinden. 


Als Grundlage dient die „Minus-CO2“-Technologie der Carbonauten: Karbonisierungsanlagen wandeln Biorestmasse in Biokohlenstoffe um, wodurch CO2 aus der Atmosphäre dauerhaft gebunden wird und ein Überschuss an erneuerbarer Energie entsteht. „Die Nachfrage nach Aktivkohle als Adsorptionsmittel für Chemie und Medizin, Abwasser- und Abgasbehandlung oder Klimatechnik steigt ständig“, erklärt Geschäftsführer Torsten Becker. „Aber bisher entsteht sie in der Regel aus fossilen Rohstoffen, und die Verfahren benötigen große Mengen an Energie, die ebenfalls meist aus fossilen Quellen stammen.“


In dem Forschungsprojekt entstehen im ersten Schritt durch eine Forschungsgruppe des Fachgebiets Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe der Universität Hohenheim unter der Leitung von Professorin Andrea Kruse und in Zusammenarbeit mit Carbonauten kleine Prototypen von Retorten. Dabei handelt es sich um Reaktoren, in denen Wasserdampf und Wärme möglichst gleichmäßig auf die Kohle einwirken sollen, um diese zu aktivieren. Auch die optimale Art von Biomasse als Grundlage für die Aktivkohle wird dabei ermittelt.


Umwandlung in Biokohle verhindert Verrottungsprozesse mit CO2-Emissionen


Das Unternehmen will im nächsten Schritt einen Prototyp im 1:1-Format an seinem Pilotstandort in Eberswalde konstruieren. Die Karbonisierungsanlagen bieten dafür die technologische Basis. Der Energiebedarf der Aktivierungsretorten wird durch den Energieüberschuss bei der Karbonisierung von Biorestmasse gedeckt – insgesamt ein nicht nur klimaneutrales, sondern sogar CO2-negatives Verfahren. Für den Prozess kommen grundsätzlich lokale Biorestmasse und Problemstoffe wie Altholz, Grünschnitt, Schadholz oder Siebüberläufe in Frage. Die erzeugten Biokohlenstoffe binden CO2 und andere Klimagase dauerhaft, die sonst bei der Verrottung der Reststoffe freigesetzt würde.


„Unser strategisches Ziel ist, baldmöglichst in Baden-Württemberg dezentrale Anlagen zur Herstellung von Bioaktivkohle zu errichten, die im Sinne einer zirkulären Bioökonomie regional erzeugte Biomasse-Restströme regional nutzen“, sagte Becker. „Durch die Herstellung von Bioaktivkohle wird der Kohlenstoff aus der Biomasse lange dem Kohlenstoffkreislauf entzogen. Der Ersatz von fossiler Aktivkohle spart CO2-Emissionen und verhindert die umweltproblematische Produktion. Zudem werden neue Einkommensquellen im ländlichen Raum geschaffen“, ergänzt der Geschäftsführer der Carbonauten.


Wichtige Zielgruppe der Caronauten sind demnach Städte und Gemeinden. „Kommunale Rest- und Problemstoffe werden in Bioraffinerien in mindestens 24 GWh/a thermische, grundlastfähige erneuerbare Energie umgewandelt“, führt das Unternehmen aus. Da die Carbonauten selbst in die Anlagen investieren und den Betrieb sicherstellen, könnten die Abnehmer von der Lösung „unkompliziert und risikolos“ profitieren. Eine Standardanlage mit drei Modulen könne jährlich bis zu 18.000 Tonnen CO2 speichern. Das entspricht etwa dem CO2-Ausstoß von 3.600 Einfamilienhäusern mit Ölheizung pro Jahr.


Erzeugte Wärme von bis zu 850 Grad Celsius eignet sich für Industrieanwendungen


Die thermische, erneuerbare Energie könne in das Fernwärmenetz eingespeist werden, aber auch direkt an Industrieunternehmen. Mit bis zu 850°C sei die Wärme auch für Industriezweige mit einem besonders hohen Temperaturniveaus geeignet, betont das Unternehmen. Die Biokohlenstoffe und Destillate, die in dem Prozess entstehen, veredelt das Unternehmen weiter, etwa um erdölbasierten Dünger oder fossile Kunststoffe zu ersetzen.


„Städten und Kommunen haben mit den Anlagen außerdem Zugriff auf den Champagner unter den Wasserstoffen“, so Becker weiter. Aus der Wärme könne als Koppelprodukt lokaler grüner Wasserstoff erzeugt werden. Die kleinste Anlage produziert etwa 110 Tonnen im Jahr. „Damit könnten etwa 230 wasserstoffbetriebene PKWs einmal um die Erde fahren“, rechnet das Unternehmen vor. Alternativ könne die Wärme auch in Strom „zu dauerhaft niedrigen Preisen“ umgewandelt werden.