Energieeinsparungen: dena schlägt Verpflichtung über „Weiße Zertifikate“ vor


Die Deutsche Energie-Agentur (dena) schlägt die Einrichtung eines gesetzlich verankerten „Energieeffizienz-Verpflichtungssystems“ vor. „Über die Hälfte der europäischen Mitgliedstaaten nutzt bereits ein solches Instrument. Nun ist es an der Zeit, dass auch Deutschland mit seinem relativ gut entwickelten und wachsenden Energieeffizienzmarkt diesen zusätzlichen Schritt geht“, sagt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung.


Mit einem entsprechenden System könnten rund 1.100 Energieversorgungsunternehmen, über 15.000 Energieberatende sowie mehr als 100.000 Handwerksunternehmen und Dienstleistende mit ihrer Fachkompetenz aktiviert werden, in den nächsten Monaten systematisch die am einfachsten und kostengünstigsten erschließbaren Energieeinsparungen bei den Kunden zu identifizieren und zu ernten.


Bei einem Energieeffizienz-Verpflichtungssystem wird eine bestimmte Gruppe von Akteuren, zum Beispiel Energieversorgungsunternehmen, verpflichtet, staatlich vorgegebene Mengen an Energieeinsparungen zu realisieren oder nachzuweisen. Dies können die Verpflichteten tun, indem sie selbst bei ihren Kunden Energieeffizienz-Maßnahmen umsetzen, führt die dena aus. Alternativ können sie von anderen Akteuren Energieeinsparnachweise – sogenannte Weiße Zertifikate – erwerben. Über ein solches System könnten zwischen ein und drei Prozent des Energieverbrauchs definierter Verbrauchsgruppen pro Jahr reduziert werden. „In der aktuellen Situation ließe sich dieses Instrument in allen Energieverbrauchsgruppen anwenden und helfen, Milliarden an jährlichen Energiekosten einzusparen.“


Bereits seit 2012 ist die Einführung eines solchen Instruments durch die EU-Energieeffizienz-Richtlinie empfohlen. Bislang hat Deutschland jedoch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, statt eines solchen Verpflichtungssystems alternative Instrumente wie etwa Förderprogramme umzusetzen. Weiterer Beweggrund war laut dena, dass Verzerrungen des Energieeffizienzmarktes nicht auszuschließen sind. Auch könnten die Energiepreise steigen, wenn die Verpflichteten ihre Kosten auf die Kunden umlegen. „Das System kann aber auch so ausgestaltet werden, dass Energieeinsparmaßnahmen in einkommensschwachen Haushalten umgesetzt werden und so gegen Energiearmut wirken“, heißt es. Auch könnten ohnehin erforderliche soziale Ausgleichsmaßnahmen für besonders betroffene Verbrauchergruppen verstärkt werden.


Umsetzung mit Energieeffizienzgesetz im Herbst 2022 denkbar


Ein Energieeffizienz-Verpflichtungssystem könnte etwa zusammen mit dem bereits in Erarbeitung befindlichen Energieeffizienzgesetz im Herbst 2022 eingeführt werden. Alle bereits ab 1. August 2022 realisierten und bis 31. Dezember 2022 nachgewiesenen, standardisierten Energieeinsparungen, die die Verpflichteten einem vom Staat beauftragten Programmadministrator nachweisen, könnten als besonderer Anreiz einmalig vom Staat vergütet werden, etwa mit drei Cent pro Kilowattstunde. Ab 2023 müssten die Verpflichteten dann weitere drei Prozent des Energieverbrauchs ihrer Kunden durch eigene Maßnahmen reduzieren oder entsprechende Weiße Zertifikate am Markt erwerben. „Bei Nichterfüllung wäre eine entsprechende Pönale zu bezahlen.“


Der Vorteil eines Energieeffizienz-Verpflichtungssystems liege darin, dass – ähnlich wie beim europäischen Emissionshandel – der Staat nur die Zielwerte und die Regeln vorgibt und kontrolliert. Eine große Zahl an Verpflichteten begibt sich dann auf die Suche nach den für sie individuell günstigsten Wegen zur Erfüllung der staatlichen Vorgaben. Weitere Marktakteure werden so ebenfalls aktiviert, da die durch Energieeffizienz-Investitionen generierten Energieeinsparungen als Weiße Zertifikate einen zusätzlichen Wert erhalten. „Je nach eigenem Know-how und Marktangeboten werden so die günstigsten Energieeffizienz-Potenziale erschlossen.“ Das könne beispielsweise durch energieeffiziente Querschnittstechnologien wie LED in Industriehallen, durch Abwärmenutzungstechnologien zur Wärmerückgewinnung aus Produktionsprozessen oder durch Haushaltsgerätetauschprogramme für Privathaushalte zusammen mit dem Einzelhandel erfolgen.


 „Die langjährigen Erfahrungen aus Ländern wie Frankreich, Italien oder Dänemark haben gezeigt, dass Verpflichtungssysteme einen signifikanten Beitrag leisten, Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen und Energieeinsparungen zu realisieren“, betont Kuhlmann. „Höchste Zeit, es auch in Deutschland zu probieren.“