In der „Roadmap Oberflächennahe Geothermie – Potenziale, Hemmnisse und Handlungsempfehlungen“ legen die Autoren der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG die notwendigen Schritte dar, um die Technologieoption zu nutzen. Derweil lancieren VKU, AGFW, BEE und Bundesverband Geothermie ein Papier, das auf die Potenziale der Tiefen Geothermie als „Gamechanger für die Wärmewende“ hinweist.
Im der Roadmap der Fraunhofer Gesellschaft wird die Reife von Erdwärmepumpen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie hervorgehoben. „Die Hemmnisse für den Markterfolg liegen also weniger im technischen Bereich als bei Förderrichtlinien, Genehmigungsverfahren, mangelnder Investitionsbereitschaft und Fachkräftemangel“, sagt Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer IEG.
Der kumulierte Nutzwärmebedarf für Raumwärme und Warmwasser in Deutschland liegt aktuell bei bis zu 800 TWh im Jahr (TWh/a). Erdwärmepumpen böten das Potenzial, 600 TWh/a und damit bis zu 75 Prozent dieses Wärmebedarfes zu decken. „Außerdem können dieselben Systeme große Teile des klimabedingt steigenden Kühlbedarfs bereitstellen“, betont das Fraunhofer IEG.
Aktuell rund 400.000 Erdwärmepumpen in Deutschland installiert
Aktuell sind mehr als 400.000 Erdwärmepumpen in Deutschland installiert, die über eine oder mehrere Bohrungen die konstante Temperatur von 5 bis 20 Grad Celsius in Tiefen bis 400 Meter zum Heizen oder Kühlen nutzen. Zur Erreichung der Klimaziele brauche es jedoch mehr als eine Verzehnfachung bis ins Jahr 2045. Derzeit würden rund 20.000 Anlagen pro Jahr gebaut, heißt es.
Die Roadmap stellt den Sachstand zum Thema Erdwärmepumpen in Deutschland zusammen. Die Autoren entwickeln Handlungsempfehlungen für die beteiligten Akteure, um die Klimaziele zu erreichen. Sie wurde im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Geothermie (BVG), dem Bundesverband Wärmepumpe (BWP) und der Erdwärme Gemeinschaft Bayern erstellt.
Potenziale für die Wärmewende stecken aber auch noch wesentlich tiefer in der Erde. Der BVG ist auch hier aktiv und appelliert in einem gemeinsamen Impulspapier mit dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und dem Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK (AGFW) an die Politik, jetzt die „richtigen Rahmenbedingungen“ für einen schnellen und weitreichenden Ausbau der Tiefen Geothermie zu schaffen.
„Osterpaket hat Potenziale der Geothermie nicht adressiert“
„Das Osterpaket der Bundesregierung hat die Wärmewende und damit die großen Potenziale der Geothermie bislang nicht adressiert“, sagt BVG-Präsident Helge-Uve Braun. Jetzt seien die bestehenden Lücken im EEG für eine bessere Nutzung der Erdwärme im parlamentarischen Verfahren zu schließen „und auch mit Blick auf das Sommerpaket dringend die Weichen zu stellen“.
Gerade für Nah- und Fernwärmenetze bietet die Erdwärmenutzung Möglichkeiten. Deshalb sei jetzt unter anderem die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und die Förderung geologischer Landesaufnahmen voranzutreiben und die erneuerbare Wärmeerzeugung in allen Gesetzen klar zu priorisieren, so BEE-Präsidentin Simone Peter. „Die Tiefen-Geothermie kann – wo immer sie verfügbar ist – einen wichtigen Beitrag zur Transformation der kommunalen Wärmenetze leisten. Um die Potenziale auch tatsächlich auszuschöpfen, müssen die Herausforderungen geothermaler Projekte wie beispielsweise das Fündigkeitsrisiko zielgerichtet adressiert werden.“
BEW als Schlüsselinstrument zur Nutzung der Geothermie in Wärmenetzen
Als Schlüsselinstrument sehe man neben der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) insbesondere die kommunale Wärmeplanung. „Sie ist daher als Leitinstrument für die effiziente Weiterentwicklung der kommunalen Versorgungsinfrastrukturen bundesweit zu etablieren“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
Die Fernwärmebranche habe von der neuen Bundesregierung ein ambitioniertes Ziel für klimaneutrale und erneuerbare Energien in das Aufgabenheft geschrieben bekommen, gibt John Miller, der stellvertretende Geschäftsführer der AGFW, zu bedenken. 50 Prozent sollen bis 2030 erreicht werden. „Das funktioniert nur, wenn die bekannten klimaneutralen Wärmequellen und Brennstoffe vorbehaltlos genutzt und erschlossen werden können und ein klares politisches Commitment besteht, dieses mit einem angemessenen Anreizsystem zu stützen.“
Wie die Tiefe Geothermie auch abseits der klassischen Geothermieregionen im Süden genutzt werden kann, zeige die geplante Geothermieanlage in Hamburg-Wilhelmsburg. „Bei erfolgreicher Fündigkeit kann das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt ein Leuchtturm für eine CO₂-neutrale Wärmeversorgung im norddeutschen Raum werden“, sagt Miller.