Nach Einschätzung von Analysten der Bank Goldman Sachs wäre die Obergrenze von 200 €/MWh eine gute Nachricht für die Industrie. Die Geschäftspläne der meisten Versorger basierten auf einem Strompreis von ungefähr 50 €/MWh, hieß es in einer Mitteilung. Die EU-Kommission betonte in dem Entwurf, dass die Preisgrenze die Kosten der Stromproduzenten berücksichtigen sowie die Konditionen für Investitionen beibehalten sollte.
Derzeit wird der Strompreis in Europa vor allem von teuren Gaskraftwerken bestimmt, die wegen der hohen Nachfrage zur Stromproduktion eingeschaltet werden. Da der Gaspreis vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine stark gestiegen ist, ist auch Strom teurer geworden. Andere Energiefirmen, die billiger Strom produzieren – etwa aus Wind, Sonne oder Atomkraft – machen große Gewinne, weil sie ihren Strom auch zu dem höheren Preis verkaufen können.
„Wir wollen diese unerwarteten Gewinne umleiten, um besonders betroffene Haushalte und Betriebe bei der Anpassung zu unterstützen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das Gleiche gelte für „Zufallsgewinne“ von Unternehmen, die ihr Geschäft mit fossilen Brennstoffen machen, sagte von der Leyen.
Die Vorschläge ähneln den Plänen der Bundesregierung, übermäßige Gewinne von Stromproduzenten abzuschöpfen. Die EU-Staaten werden nun darüber beraten. „Das Ziel ist, Einfluss zu nehmen auf den Elektrizitätspreis, wohlwissend, dass er auch durch die globalen Umstände beeinflusst wird“, sagte von der Leyen.
Übergewinnabgabe komplexes Unterfangen
Kritiker verweisen auf eine hohe Komplexität einer „Übergewinnabgabe“. So erhalten etwa viele Betreiber älterer PV-Anlagen eine fixe Vergütung, als Erzeuger profitieren sie nicht von den hohen Strompreisen. Meist kommt der Strom nicht unmittelbar an die Börsen, die Vermarktungskette ist vielschichtig. Ein gedeckelter Preis könnte aber auch dafür sorgen, dass die Nachfrage nicht gedeckt wird, weil eine zu teure Produktion schlicht nicht stattfindet. Last but not least droht die Gefahr, dass Anreize zur CO2-armen Energieerzeugung sinken und die Energiewende verschleppt wird.
Die EU-Kommission schlägt in dem Entwurf auch vor, den Stromverbrauch während Zeiten hoher Nachfrage verbindlich um fünf Prozent zu verringern. Dafür könnten etwa finanzielle Anreize geschaffen werden.
Staatliche Beihilfen sollen Energieversorgern im Notfall bereitgestellt werden
Von der Leyen betonte ferner, dass man die Energieversorgungsunternehmen unterstützen müsse, die derzeit mit der enormen Volatilität der Märkte zu kämpfen hätten. „Wir werden unsere Rahmen für staatliche Beihilfen aktualisieren, damit staatliche Garantien im Notfall rasch bereitgestellt werden können.“
Am 9. September treffen sich die EU-Energieminister, um über die Optionen zu beraten. Am kommenden Dienstag könnte die EU-Kommission bereits einen Rechtsvorschlag vorlegen.