Facility Management

Energy Sharing in Deutschland: Wie Nachbarn zum Stromlieferant werden können


In Deutschland ist das Modell unter Mitwirkung etablierter Marktakteure bereits möglich. Insbesondere für neue Akteure ist die Umsetzung von Energy Sharing Communities (ESC) aufgrund der energiewirtschaftlichen Regularien aber mit hohen Hürden verbunden. Denn die Teilnehmenden gelten als Stromlieferanten und müssen entsprechende Pflichten erfüllen. Welche Erleichterungen es in Deutschland geben sollte, zeigt der heute veröffentlichte Bericht „Energy Sharing: Vom Konzept zur energiewirtschaftlichen Umsetzung“ auf, den die dena mit dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung und B.A.U.M. Consult verfasst hat. Anhand verschiedener Modelle wird skizziert, wie die energiewirtschaftliche Rollenverteilung und der Datenaustausch aufgebaut sein können.


„In anderen EU-Ländern wie Österreich existieren bereits konkrete Regelungen für Energy Sharing und viele Bürgerinnen und Bürger partizipieren daran. Auch in Deutschland braucht das europäische ‘Right to Energy Sharing‘ nun einen praktikablen Rechtsrahmen. Der sollte nicht nur gewährte Privilegien und Kriterien klarstellen, sondern die bestehenden Rollen im Energiesystem und die Verteilung der Verantwortlichkeiten bei verschiedenen Akteurskonstellationen vor Ort berücksichtigen“, sagt Corinna Enders, Vorsitzende der Geschäftsführung der dena.


Modell 1: ESC bedient sich eines zentralen Lieferanten


Im ersten Modell des vorgelegten Berichts bieten die ESC-Mitglieder ihren nicht genutzten Strom einem zentralen Lieferanten an, der alle Verbraucher der ESC versorgt. Eine zeitgenaue Zuordnung des Verbrauchs innerhalb der ESC zu den einzelnen Verbrauchern erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Lieferanten sowie gegebenenfalls unter Nutzung weiterer Daten vom Messstellenbetreiber. Dieses Modell ist unter den heutigen Rahmenbedingungen bereits möglich


Modell 2: ESC selbst oder Intermediäre werden Lieferant


Das zweite Modell orientiert sich an den europäischen Vorbildern: Die ESC selbst oder Intermediäre werden zum Lieferanten. Hierbei wählen die Erzeuger der ESC eigene Lieferanten, die ihren Strom abnehmen und als Lieferant ausgewählte Verbraucher (in der ESC) versorgen, die Strom von genau diesem Erzeuger haben wollen. Der oder die Lieferanten besorgen den Reststrom, der nicht von den entsprechenden Erzeugern geliefert werden kann, vom Markt oder von anderen Lieferanten innerhalb oder außerhalb der ESC. Dieses Modell ist heute nur in bestimmten Ausführungen möglich.


Modell 3: In der ESC bestehen energie- und handelsrechtliche Lieferbeziehungen


Das dritte Modell blickt in die weiter entfernte Zukunft: Hier bestehen innerhalb der ESC energie- und handelsrechtliche Lieferbeziehungen zwischen dezentralen Erzeugern, Prosumern und Verbrauchern ohne die Zwischenschaltung von Energieversorgern. Der wesentliche Unterschied zu den Modellen 1 und 2 ist eine von der ESC betriebene digitale Plattform für das komplette Abbilden der Liefer- und Handelsbeziehungen der ESC-Mitglieder untereinander. Ein solches Peer-toPeer Trading ohne Zwischenschaltung eines Energieversorgungsunternehmens ist in Deutschland derzeit nicht möglich.


Um viele dezentrale Erzeuger und Verbraucher innerhalb der ESC und im Zusammenwirken mit externen Akteuren im Energiesystem effizient zu verbinden braucht es den Autoren des Berichts zufolge nicht nur einen klaren Rechtsrahmen, sondern auch einen geregelten Umgang mit den Daten und eine sichere digitale Infrastruktur. Der granulare Abgleich von Erzeugung und Verbrauch sei für jedes denkbare Modell zentral und werde so effizient und schnell möglich.


Weiterentwicklung des Rechtsrahmens Chance für neue Akteure


Mit den intelligenten Messsystemen werde in Deutschland derzeit eine gute und sichere Basis geschaffen, nicht nur für die Datenerfassung, sondern auch für die Steuerung von Anlagen. Darauf aufbauend kann die Abrechnung nach variablem Tarif erfolgen und der Einsatz der Energieanlagen digital gestützt optimiert, geplant bis hin zu automatisiert gesteuert werden.


Die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens bietet zukünftig Chancen für neue Akteure am Energiemarkt. Aber auch etablierte und innovationsbereite Energieversorgungsunternehmen können von neuen Geschäftsmodellen profitieren und eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Energy Sharing spielen, wie das Projekt in der Pilot-Community mit der SWW Wunsiedel auch praktisch demonstriert und untersucht. Die Pilot-Community WUNergy in Wunsiedel zeigt im realen Umfeld, wie eine Energy Sharing Community aufgebaut werden kann, bei der ein Stadtwerk als zentraler Lieferant (Modell 1) auftritt und Teil einer Genossenschaft wird, die Energy Sharing unter ihren Mitgliedern umsetzt.