Energiespeicher: Dynamisches Wachstum – und regulatorische Hemmnisse als „Evergreen“


Der Trend zur Eigenversorgung, hohe und schwankende Energiepreise sowie die Notwendigkeit von Flexibilität und Versorgungssicherheit treiben den Markt für Energiespeichersysteme voran. Auch der Trend zur E-Mobilität bringe weiteren Schub und damit eine andere Anwendung (Laden mit eigenerzeugtem Strom) bei Speichern in den Marktsegmenten Haushalt, Industrie und Systeminfrastruktur.


„Die weiter sehr positive Entwicklung im Jahr 2023 zeigt, dass die Bedeutung von Energiespeichersystemen für ein stabiles und kosteneffizientes Energiesystem stark zunimmt.“ Die Branche bediene mittlerweile die verschiedenen Märkte in der gesamten Breite an Anwendungen in allen drei Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. „Gleichzeitig bringt sie gerade im Industriesegment nicht die Kraft auf die Straße, die möglich wäre, sondern wird weiterhin politisch/regulatorisch ausgebremst.“


Ohnehin war auch bei der diesjährigen Präsentation der Zahlen spürbar, dass die Entwicklung nicht dem entspricht, was angesichts der beschleunigten Transformation des gesamten Energiesystems in Richtung einer auf Wind- und Solarstrom fußenden Versorgung zu erwarten wäre. Der Schub der Ausbauzahlen im Heimspeichersegment ist beeindruckend, ist aber nur ein Puzzlestück beim Aufbau eines Backupsystems für die fluktuierende Erzeugung. Rechnet man den Heimspeichermarkt heraus, so ist der Wachstumstrend am Speichermarkt aktuell durchaus überschaubar. Zwar spürt die Branche durchaus, dass das Thema Energiespeicher parteiübergreifend in der Politik angekommen ist (vgl. hierzu auch das Interview mit Urban Windelen), gleichzeitig fehlt ein konsistenter Ansatz im regulatorischen Bereich, um das Potenzial der Speicher für die Energiewende zu heben. Die Stromspeicherstrategie ist hier nur eines von mehreren Beispielen.


Marktsegment Haushalte


Der Bereich Haushalte verzeichnete den Branchenzahlen zufolge erneut das stärkste Wachstum. „Der Trend zur Eigenversorgung und Absicherung dieser Versorgung treibt die Installation von Energiespeichersystemen in Gebäuden und privaten Haushalten voran, trotz fallender Energiepreise“, heißt es beim, BVES. Insgesamt zeigen die von den Marktforschern von 3 Energie Consulting (3EC) im Auftrag des BVES erhobenen Daten einen Umsatzanstieg des Haushaltssegments um 73 Prozent von 6,4 Mrd. € auf 11,1 Mrd. €. Für das laufende Jahr hält die Branche ein weiteres Wachstum auf 15,8 Mrd. € (+42 Prozent) für machbar.


Neben den Stromspeicher, deren Umsatz von 4,7 Mrd. € auf 7,3 Mrd. € zulegte, erreichte auch der Wärmesektor im Haushaltsbereich einen massiven Anstieg der Umsätze von 1,7 Mrd. € auf 3,8 Mrd. €. Verantwortlich hierfür ist ein Absatzrekord an Wärmepumpen und dazugehörigen Wärmespeichern. „Die Sektorenkopplung ist im Haushaltssegment mittlerweile die Regel; es gilt, das Maximum aus der eigenen PV-Anlage zu nutzen“, heißt es. Die Lademöglichkeit des E-Autos mit Eigenstrom bleibt ein weiterer Treiber. Diese Sektorenkopplung führe dazu, dass die Speichersysteme in ihrer Kapazität größer werden. Etwa ein Drittel der Anlagen geht bereits über 20 kWh hinaus.


Bis Ende 2024 werden mehr als 2 Millionen Einfamilienhäuser ein Energiespeichersystem verwenden, heißt es weiter. „Damit versorgen sich bereits 15 Prozent aller Einfamilienhäuser in Deutschland mit ihrem Speichersystem weitgehend selbst.“ Dies führe zur erheblichen Entlastung der Stromnetze sowie der Reduzierung des Netzausbaubedarfs auf der entsprechenden Netzebene, hebt der BVES hervor. Die Gesamtleistung der Haushaltsspeicher hat durch den großen Zubau ca. 6 GW erreicht, was etwa der Leistung der deutschen Pumpspeicher entspricht.


Marktsegment Industrie & Gewerbe


Das Segment Industrie und Gewerbe verzeichnete trotz des enorm großen Potenzials wiederum nur ein leichtes Umsatzwachstum gegenüber 2022 – von 1,22 Mio. € auf 1,36 Mio. €. Auch hier ist das Wachstum den Analysen zufolge bestimmt von Ausbau der Ladeinfrastruktur, Vertiefung der Eigenerzeugung sowie der Sicherung der Anschlussleistung. Auch das Interesse an Wärmespeichern für Hochtemperatur- und Prozesswärme als Lösung für Dekarbonisierung und Energieeffizienz sei „groß und steigt deutlich“, hält der BVES fest. „Allerdings ist der Markt weiterhin projektabhängig und durch mangelnde Anreize für Flexibilisierung und Dekarbonisierung gehemmt, die großen Potenziale zu heben.“


Auch die Wasserstoffanwendungen zeigten ein Wachstum, insbesondere im Bereich 1-10 MW, seien aber „noch nicht wirklich in den Märkten angekommen“. Insgesamt bremsten wirtschaftliche, politische und rechtliche Unsicherheit, bürokratische Hemmnisse und der Fachkräftemangel das Wachstum in Industriesegment noch deutlich aus. Nachdem die Wärmewende sektorübergreifend an Schwung gewonnen habe, entwickele sich das Segment Industrie und Gewerbe zum neuen „schlafenden Riesen“, sagte Windelen.


Noch immer dominierten Stromanwendungen die Nachfrage nach Energiespeichern in der Industrie, „70 Prozent des Energiebedarfs in der Industrie ist aber Wärme“. Die Unternehmen scheuten aktuell aufgrund der herrschenden Unsicherheit schlicht grundlegende Investitionen am Standort Deutschland. Immerhin erwartet der BVES ein Wachstum des Marktsegments Industrie & Gewerbe auf 1,69 Mrd. € im laufenden Jahr.


Marktsegment Systeminfrastruktur


Das Segment Systeminfrastruktur bestätige den Wachstumstrend im Bereich Großbatterien, heißt es weiter. Die Gesamtkapazität von Großbatteriespeichern übersteige mittlerweile 1,5 GWh. „Schwankende Spotmarktpreise sowie das Potenzial von Co-Location mit Wind und PV sowie Arbitrage heizen die Nachfrage nach Großbatterien weiter an“, berichtet der Branchenverband. Die Notwendigkeit von Speichern für das Energiesystem, gepaart mit den attraktiven Strommarktbedingungen für Speicher, ließen auch wieder Pumpspeicherprojekte in die Realisierung kommen.


In den Umsatzzahlen für 2023 spiegelt sich noch keine dynamische Entwicklung wider. Den Erhebungen zufolge blieben die Umsätze im Segment Systeminfrastruktur mit 2,52 Mrd. € nahezu unverändert. Im laufenden Jahr rechnet die Branche allerdings mit einem deutlichen Schub und einem Umsatzanstieg auf 3,11 Mrd. €. Man rechne mit einem deutlichen Umsatzplus für Großbatteriespeicher durch Co-Location und Arbitragepotenzial an Spotmärkten, heißt es in der Analyse. Wobei es auch hier noch viele Hürden zu überwinden sind. Aktuell gebe es für Co-Location in Deutschland noch kein wirkliches Geschäftsmodell, erläuterte BVES-Geschäftsführer Windelen. „Hierzulande dominiert noch immer ‚produce and forget‘ bei der regenerativen Stromerzeugung.“ Mit Fortschreiten der Post-EEG-Phase würden aber zunehmend Anlagenbetreiber auf Speicher setzen, um ihre Position bei der Vermarktung des Stroms deutlich zu verbessern. „Bei marktlichem Agieren wird der Speicher attraktiv“, sagte Windelen.


Ausblick und Herausforderungen für 2024


Unter dem Strich zeigt sich die Branche auch für das Jahr 2024 optimistisch. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen erwarteten einer Befragung zufolge Umsatzsteigerungen gegenüber dem Vorjahr, primär in den Bereichen Systeminfrastruktur, Industrie und Mobilität. Die Branche bleibe zugleich international ausgerichtet, „und im Auslandsgeschäft wird weiteres Wachstum erwartet“. Energiespeichersysteme „Made in Germany“ hätten einen „exzellenten Ruf in der Welt“, müssten sich jedoch verstärkt gegen wachsende Konkurrenz aus Asien behaupten.


Die grundsätzlich positiven Aussichten seien durch verschiedene Faktoren begrenzt. Neben der schlechten Gesamtstimmung in der Wirtschaft sei der Fachkräftemangel für die Hälfte der Unternehmen eine weitere Wachstumsbremse. „Evergreen“ als Hemmnis der Branche blieben zudem die weiterhin unpassenden regulatorischen Rahmenbedingungen, „trotz positiver Signale aus Politik und Regierung“. Es sei nun „entscheidend, dass die positive politische Entwicklung nicht wieder im Kleinklein versinkt und zerrieben wird“, betont Windelen. „Was das Energiesystem und auch die Speicherbranche endlich brauchen, ist eine integrierte Strategie, die alle Sektoren Strom, Wärme und Mobilität umfasst und die Integration aller Speichertechnologien im Blick hat.“