Der Minister verwies darauf, dass für dieses Jahr eigentlich ein Bundeszuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Mrd. € geplant gewesen war. Das Geld sollte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen – als Folge eines Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts musste die Bundesregierung diesen Sondertopf allerdings auflösen.
Habeck nannte Zuschüsse zu den Netzkosten eine sinnvolle Maßnahme. Die Frage sei, wo das Geld herkomme? Im Moment gebe es keinen „Finanzpool“ dafür. Es sei aber grundsätzlich die Frage zu diskutieren, woher Mittel für Investitionen auch zum Beispiel für Digitalisierung oder Infrastruktur kommen sollten. Habeck verwies auf einen Vorschlag des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Dieser hatte sich unter bestimmten Voraussetzungen für milliardenschwere Sondervermögen ausgesprochen.
Habeck: Kosten für Netzausbau nicht „ungebremst“ Unternehmen und Verbrauchern zumuten
Habeck sprach sich zudem erneut dafür aus, Kosten für den Ausbau der Stromnetze zeitlich zu strecken. Wenn man die Kosten, die man jetzt bezahle, „ungebremst“ Unternehmen und Verbrauchern und Verbrauchern ins Konto knallen lasse, dann werde es schwierig. Die Stromnetze würden für die nächsten Jahrzehnte gebaut.
Der Bau neuer „Stromautobahnen“ ist notwendig, damit der vor allem im Norden produzierte Windstrom zu großen Verbrauchszentren im Süden gelangt. Der Stromnetzausbau hat zuletzt Tempo aufgenommen. Durch die Infrastrukturkosten steigen auch die Netzentgelte als Bestandteil des Strompreises. Zudem gibt es Milliardenkosten durch Maßnahmen, die Überlastungen und Engpässe im Übertragungsnetz verhindern sollen.
Unternehmen: Brauchen unbedingt Unterstützung
Die Streichung der staatlichen Zuschüsse zu den Netzentgelten „hat uns der Teppich unter den Füßen weggezogen“, sagte Alexander Becker, Chef des Stahlherstellers Georgsmarienhütte Holding GmbH. Für die Gruppe bedeutet das, dass ein Drittel der geplanten Investitionen nicht gemacht werden konnten in diesem Jahr. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. „Wir brauchen unbedingt Unterstützung bei den Netzentgelten, sonst werden wir weiterhin Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland verlieren“, sagte Becker. Die Unternehmensgruppe betreibt unter anderem drei Elektrostahlwerke in Georgsmarienhütte, im Saarland und Sachsen.
Unterdessen warnt der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft davor, dass die geplante Reform der Industrienetzentgelte die Gefahr einer „Überforderung eines großen Teils der Industrie“ berge. Die Flexibilitätspotenziale in der Industrie seien begrenzt und nicht in jeder Branche und Unternehmen vorhanden. Gleichzeitig müsse aber die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und „ökonomische Grundsätze der industriellen Produktion gewahrt bleiben“. Flexibilisierte Produktionsprozesse führten oft zu Abweichungen vom optimalen Betriebspunkt, was höhere Betriebskosten und technische Ineffizienzen zur Folge habe. „Eine alleinige Fokussierung auf die Vorteile einer flexibler produzierenden Industrie für das Stromsystem greift daher zu kurz und vernachlässigt die weitreichenden ökonomischen Auswirkungen.“
VIK: „Industrielle Flexibilitätspotenziale auf freiwilliger Basis und anreizbasiert heben“
„Individuelle Netzentgelte sind für energieintensive Unternehmen unverzichtbar, um international konkurrenzfähig sein zu können“, meint Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK. „Eine ersatzlose Aufhebung der Bandlastregelung würde jedoch zu erheblichen Netzkostenerhöhungen führen und den Industriestandort Deutschland mitten in der Krise ernsthaft abwerten.“
In der Reform der Industrienetzentgelte bestehe aber auch eine Chance, das vorhandene industrielle Flexibilitätspotenzial der energieintensiven Unternehmen zu heben oder gar zu vergrößern. „Dazu sollten die industriellen Flexibilitätspotenziale auf freiwilliger Basis und anreizbasiert gehoben werden“, so der VIK. Dies erfordere „klare und stabile Rahmenbedingungen, die den Unternehmen erlauben, in erforderliche Maßnahmen zur Flexibilisierung zu investieren, ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden“.
Der VIK spricht sich dafür aus, die bisherigen Netzentgeltregelungen beizubehalten und die bestehende optionale Erbringungsmöglichkeit von vorhandenem und künftigem industriellem Flexibilitätspotenzial punktuell zu ergänzen. Dadurch ließen sich die netzseitigen und wirtschaftlichen Vorteile der Bandlastregelung erhalten, gleichzeitig aber auch die für ein von erneuerbaren Energien geprägtem Stromsystem notwendigen lastseitigen industriellen Flexibilitätspotenziale heben. Gleichzeitig müsse die Möglichkeit zur Entlastung durch Bandlastprivilegien bestehen bleiben. (dpa/ContextCrew)