Tiefengeothermie nutzt heißes Thermalwasser aus der Tiefe, um etwa Fernwärme und Prozesswärme bereitzustellen. Von klimafreundlicher Energie aus thermalwasserführenden Schichten könnten viele Anwendungen profitieren, etwa kommunale Wärmenetze, Gewächshäuser oder die Chemieindustrie, aber auch Betriebe der Zucker- und Nahrungsmittelherstellung, der Holz- und Papierverarbeitung sowie die Metall-, Zement- und Bauindustrie, heißt es beim Fraunhofer IEG.
Mit den nun ausgestellten Bewilligungsbescheiden geht das Projekt Geo³ nun von der Planungs- in die Umsetzungsphase. Es ist vorgesehen, einerseits den Untergrund in der Städteregion Aachen in den nächsten vier Jahren großflächig geophysikalisch zu charakterisieren und andererseits mit zwei Bohrungen in der Tiefe zu erkunden. Zudem baut Fraunhofer IEG als zugehörige obertägige Infrastruktur in Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für Georessourcen und Dekarbonisierung.
Neue Erkundungsmethoden für spezielle Untergrundverhältnisse in ehemaligen Kohleregionen werden erprobt
Für ein besseres Verständnis der geologischen Situation im tiefen Untergrund will das Fraunhofer IEG unter anderem das südliche Rheinland mehrere Kilometer tief mit Schallwellen erkunden, ähnlich dem Echolot aus der Seefahrt oder dem Ultraschall in der Medizin. Dazu bringt das Reallabor im Bereich zwischen dem Aachener Autobahnkreuz und Düren für kurze Zeit Messwagen und empfindliche Mikrofone in einer sogenannten „Seismischen Exploration“ zum Einsatz und testet auch neue Erkundungsmethoden für die speziellen tiefen Untergrundverhältnisse in ehemaligen Kohleregionen.
Die Daten dieser bildgebenden Verfahren werden mit jenen aus tiefen Erkundungsbohrungen verknüpft. Diese sollen die thermalwasserführenden Gesteinsschichten in mehreren Kilometern Tiefe für wissenschaftliche Untersuchungen erschließen und wertvolle Informationen etwa über Gesteinsarten, Porosität, Wasserdurchlässigkeit und natürliche Wasservorkommen liefern.
Wichtiges Projekt für Kommunen im NRW-Masterplan Geothermie
Für das Land Nordrhein-Westfalen ist das Projekt ein wichtiger Schritt im Rahmen der Umsetzung des Masterplans Geothermie. Das Fraunhofer Reallabor könne entscheidend zum Hochlauf der Geothermie in NRW beitragen, heißt es weiter. Die seismischen Messungen und Tiefbohrungen lieferten wichtige Grundlagendaten für anschließende Projekte durch Wärmeversorger. Die Erkenntnisse zu den geologischen Verhältnissen und zur Umsetzung von geothermischen Projekten sollen in Form von Leitfäden und Workshops verfügbar gemacht werden.
Als Bestandteil des Fraunhofer Reallabors entsteht am Standort des Braunkohlekraftwerks Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für angewandte Georessourcen und Dekarbonisierung. Dort laufen dann alle gesammelten Informationen zum Untergrund zusammen. Bereits heute ist in Weisweiler ein Teil des geplanten geophysikalischen Observatoriums in Betrieb, das die natürliche Seismizität des Untergrunds im südlichen Rheinland wissenschaftlich beobachtet. Das Technikum dient auch als Entwicklungsplattform für Geotechnologien zur klimafreundlichen Energieversorgung. Die Forschungsthemen sollen Aspekte der Anlagentechnik zur Dekarbonisierung von Industrie und Kommunen sein: von Aggregaten zur geothermalen Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung, über die Nutzung des Untergrunds als Energiespeicher bis hin zu CO2-armen Betriebsstrategien.
Fraunhofer IEG will zusammen mit seinen Partnern aus Forschung und Industrie so Innovationen in die europäischen Strukturwandelregionen bringen und die Transformation „vom Kohle- zum Wärmebergbau“ ermöglichen. Die neue Forschungsinfrastruktur soll für weitere Partner der Wissenschaft und auch den Akteuren der Wirtschaft und Kommunen zur Verfügung stehen. Neben der Entwicklung neuer Technologien soll sie perspektivisch auch der Aus- und Weiterbildung von dringend benötigten Fachkräften im Bereich der geothermischen Energiesysteme dienen.
Finanzierung erfolgt über drei Bausteine
Das Fraunhofer Reallabor wird in drei Bausteinen finanziert. Über das „Stark“-Programm fördert das Bundeswirtschaftsministerium die personellen und nicht-investiven Maßnahmen mit rund 8,15 Mio. Euro, weitere 0,815 Mio. Euro trägt das Land NRW, um den Transformationsprozess in den Kohleregionen zu unterstützen, wie es im Kohleausstieg von 2019 vom Bundestag beschlossen wurde. Über eine Zuwendung des Landes NRW gemäß dem Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG) erhält das Projekt 36,54 Mio. Euro für die investiven Maßnahmen zu geophysikalischen Messungen, Forschungsbohrungen und deren infrastrukturelle Anbindung. Für den Aufbau des Technikums in Weisweiler wiederum kommen rund 6,5 Mio. Euro aus der gemeinsamen Förderung der Fraunhofer-Gesellschaft durch das Bundesforschungsministerium und das Wissenschaftsministerium hinzu. So ergibt sich eine Gesamtförderung von 52 Mio. Euro für die geplante Projektlaufzeit von 4 Jahren.