Mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien werde es häufiger Zeiten geben, in denen, abhängig von Sonnenschein und Wind, elektrische Energie im Überfluss entsteht und nicht vollständig über die Stromnetze abtransportiert werden kann, erläutert Karsten Rogall, Geschäftsführer der Leipziger Stadtwerke. „Genau hier setzt Power-to-Heat an: Anstatt EE-Anlagen abzuregeln und die Potenziale verpuffen zu lassen, produzieren wir grüne Fernwärme aus diesen Überschüssen.“ Dadurch könnten im Gegenzug wärmeerzeugende Kraftwerke wie das Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in der Eutritzscher Straße herunterregelt werden, so Rogall weiter.
Power-to-Heat-Anlagen nach dem Prinzip „Nutzen statt Abregeln“ könnten das Potenzial der erneuerbaren Energien besser ausschöpfen und Engpässe im Stromnetz entschärfen, sagt Dirk Biermann, Chief Operations Officer (COO) von 50Hertz. Die 50Hertz-Systemführung bei Berlin kann die PtH-Anlage im Leipziger Norden zukünftig gemeinsam mit dem Kraftwerk in der Eutritzscher Straße über die Leitstelle der Leipziger Stadtwerke für das Engpassmanagement einsetzen. „Der mitteldeutsche Raum bietet für dieses Konzept gute Voraussetzungen, weil es hier ein hohes Aufkommen an Windstrom und inzwischen auch große Freiflächensolaranlagen gibt.“
Fast die gesamte elektrische Energie wird in Wärmeenergie umgewandelt
Die Erzeugung von Wärme in einer PtH-Anlage ist vergleichbar mit dem Prinzip eines Tauchsieders. In einem großen Behälter befinden sich elektrische Heizstäbe, die von Wasser umströmt werden. Diese Heizstäbe können bei Bedarf eingeschaltet werden und erhitzen das Wasser mit Strom aus EE-Anlagen, die zu diesem Zeitpunkt mehr Strom erzeugen als im Stromnetz abtransportiert werden kann. Der Wirkungsgrad dieser Heizstäbe ist nach Angaben der Projektpartner sehr hoch. Fast die gesamte elektrische Energie werde in Wärmeenergie umgewandelt.
Da Wärmeerzeugung und Wärmeverbrauch zeitlich nicht immer deckungsgleich sind, kann das erhitzte Wasser in den beiden Wärmespeichern der Leipziger Stadtwerke zwischengespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt in das Fernwärmenetz eingespeist werden.
Power-to-Heat: „Vor 20 Jahren hätte niemand einen Pfifferling auf diese Idee gegeben“
„Vor 20 Jahren hätte niemand einen Pfifferling auf diese Idee gegeben“, sagt Stadtwerke-Projektleiter Thomas Walther. Doch die Zeiten haben sich geändert. Dass man sich wieder auf Altbewährtes besinne, sei vernünftig und nachhaltig zugleich. Da durch den Einsatz von Power-to-Heat-Anlagen der Verbrauch fossiler Brennstoffe für Heizwecke reduziert werden kann, werde die Technologie in Zukunft eine zunehmende Rolle in der Leipziger Wärmeversorgung und bei der Verwirklichung der Leipziger Klimaziele spielen. „Schon heute planen wir eine zweite, 60 Megawatt starke Power-to-Heat-Anlage an unserem Kraftwerksstandort im Zentrum-Nord“, so Walther weiter.
Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurden 2023 in Deutschland rund 10 TWh Strom aus EE-Anlagen abgeregelt, um Engpässe im Stromnetz zu vermeiden. Dabei konnten 96 Prozent der Gesamterzeugung aus erneuerbaren Energien über die Stromnetze zu den Verbrauchern transportiert werden. Vier Prozent der potenziellen Erzeugung gingen jedoch verloren, weil die Netze aktuell dafür nicht ausreichen. Deshalb ist das Speichern von entscheidender Bedeutung. Zudem sollen der Ausbau der Stromnetze, die Sektorenkopplung (Nutzung von überschüssigem Strom zur Erzeugung von Wärme oder zur Elektrifizierung von Verkehrsmitteln) sowie Nachfrage-Management (planbare Industrieprozesse werden dann umgesetzt, wenn viel Strom im Netz ist) in Zukunft weniger Abregeln bewirken.