Facility Management

Wärmenetz in Sindelfingen: Kommune setzt auf Temperaturabsenkung und breiten Erzeugungsmix


Mit der „Energiedrehscheibe Nord“ soll in einem ersten großen Schritt die Dekarbonisierung eingeleitet werden. Hier werden verschiedene Technologien der Wärmeerzeugung zum Einsatz kommen. Aus der Vergärungsanlage in Leonberg stehen den Stadtwerken bald rund 36 GWh Biomethan pro Jahr zur weiteren Verwendung und Verfügung. Bei der Verwertung des Biogases in KWK-Anlagen entspräche dies einer jährlichen Wärmemenge von rund 14 GWh. Die hierfür erforderliche rund 3,5 km lange Gasleitung von Leonberg nach Sindelfingen wurde 2025 bereits fertiggestellt. Aktuell erfolgt der Bau der Biogasaufbereitungsanlage.

Bioenergie, Power-to-Heat und Großwärmepumpen zur Defossilisierung

Neben Biogas setzt Sindelfingen auch auf Holzenergie. Die Planungen für ein Holzheizwerk mit insgesamt rund 14 MW Leistung haben bereits begonnen. Bei den Potenzialen der Biomasse handele es sich vorrangig um feste Biomasse wie Reisig, Stammholz oder Starkholz. Ab etwa 2029 könnten damit jährlich etwa 40 GWh Wärme aus Biomasse in das Stadtnetz eingespeist werden.

Ein dritter Bestandteil der Dekarbonisierungsstrategie liegt in der Nutzung von Power-To-Heat. Der geplante Windpark mit fünf Windkraftanlagen zwischen der ehemaligen Kreismülldeponie und der A8 / A81 liefert nach Fertigstellung eine jährliche Stromeinspeisung von bis zu 70 GWh. Somit gebe es ein großes Potenzial zur Direktnutzung von erneuerbarem Strom. Bei den Planungen geht man davon aus, dass Teilmengen ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes direkt in entsprechenden Power-to-Heat-Anlagen oder zur Wasserstofferzeugung eingesetzt werden können. „Dies erfolgt insbesondere in Spitzenlastzeiten oder bei einem Überangebot an erneuerbarem Strom.“

Die Kläranlage Böblingen-Sindelfingen biete auf Grund ihrer Größe die Möglichkeit, Abwärme durch den Einsatz von Großwärmepumpen für die Fernwärmeversorgung zu nutzen. Im Transformationsplan wird davon ausgegangen, dass ab etwa 2037 die Hälfte der Einspeiseleistung für das Wärmenetz in Sindelfingen zur Verfügung stehen kann. Die zweite Hälfte wird dem Netz Böblingen zugesprochen. Dagegen wurde das Abwärmepotential örtlicher Gewerbebetriebe auf Grund der jeweils komplexen Einbindung und Verfügbarkeit nicht berücksichtigt.

Klärschlammverwertung am RMHKW stellt 15 bis 20 GWh pro Jahr bereit

Auf dem bestehenden Gelände des Restmüllheizkraftwerks Böblingen (RMHKW) wird eine Klärschlammverwertungsanlage entstehen. Ab 2027 sollen zusätzliche 15 bis 20 GWh Wärme für die Fernwärmeversorgung zur Verfügung stehen. Um die ökologisch erzeugte Wärme aus dem RMHKW und der „Energiedrehscheibe Nord“ auch in Maichingen nutzen zu können, wird das Netz Innenstadt mit dem Netz Maichingen verbunden. Auf Grund der unterschiedlichen Betriebsweise der Netze, ist der Bau eines Wärmetauschers erforderlich. Die Baumaßnahme wurde bereits begonnen, der Zusammenschluss ist für das Jahr 2027 geplant.

Ab 2030 ist der Bau einer zweiten Leitungstrasse zum RMHKW vorgesehen. Diese dient dazu, zusätzliche Wärmemengen auf einem niedrigeren Temperaturniveau aus der Abfallverwertung ins Netz Sindelfingen und Maichingen zu liefern.

Viele Unklarheiten mit Blick auf Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff

Der Einbezug von grünem Wasserstoff als Energieträger könnte sich auf Grundlage von KWK-Anlagen anbieten, heißt es weiter. Aktuell beständen allerdings noch große Unsicherheiten hinsichtlich der Kosten sowie der Verfügbarkeit von Wasserstoff bis 2045. Aus dem Grund ist die Nutzung von Wasserstoff hauptsächlich zur Sicherung von Spitzenlasten interessant. Ein möglicher Standort wäre die Energiedrehscheibe Nord.

Über den Zeitraum 2025 bis 2040 gehe die Stadtwerke nach heutigem Stand von Investitionen für das Wärmenetz und Erzeugung in Höhe von rund 104 Mio. € nach Abzug der Förderung aus. „Die Transformation ist dabei grundsätzlich als ein dynamischer Prozess zu betrachten“, betont der kommunale Versorger. Der Prozess werde regelmäßig neu bewertet und hinsichtlich neuer möglicher Technologien und neuen Erkenntnissen entsprechend angepasst.