Laut einer aktuellen Studie des Logistikdienstleisters DHL müssen viele Unternehmen aus dem Energiesektor ihre Lieferketten an das derzeit beispiellos schwierige Marktumfeld anpassen. Sowohl die Transparenz als auch die Effizienz der Lieferketten müssten optimiert werden. Zudem sei ein Umdenken erforderlich, das die unternehmensübergreifende Nutzung von Logistikanlagen und –ressourcen innerhalb der Branche fördert. Im Rahmen der Studie wurden sowohl die traditionellen Öl- und Gasgesellschaften und weitere Energieerzeuger als auch die Erneuerbaren-Branche untersucht.
Gerade in Bezug auf die Lieferketten werde das Jahr 2016 über den Erfolg oder Misserfolg des Energiesektors entscheiden, so Steve Harley, der den Energiesektor von DHL Customer Solutions & Innovation verantwortet. Führe man sich die Marktentwicklung bei Erdöl- oder Gasgesellschaften vor Augen, so gebe es mittlerweile kaum noch Spielraum für betriebliche Ineffizienzen. Seiner Ansicht nach müssen die fehlende Transparenz bei den Beständen oder beim Ressourceneinsatz sowie dezentrale Steuerungssysteme der Vergangenheit angehören, insbesondere bei der Gewinnung von Energierohstoffen, wo die Margen derzeit extrem knapp oder de facto nicht vorhanden seien.
Die vergangenen zwei Jahre stellten die Energiebranche, insbesondere die Öl- und Gasunternehmen, vor beispiellose Herausforderungen. Die Preise für Rohöl und Flüssigerdgas (LNG) fielen seit Juli 2014 um mehr als 60 Prozent und pendelten sich zurzeit bei rund 30 US-Dollar (27. Januar) pro Barrel Rohöl ein. Andererseits nimmt der Anteil der erneuerbaren Energien am weltweiten Energiemix zu.
„Auch wenn sich die Branche mit enormen Herausforderungen konfrontiert sieht, bieten sich den Unternehmen sowohl im Bereich herkömmlicher als auch erneuerbarer Energien eine Vielzahl von Chancen. Wie unsere Umfrage ergeben hat, gibt es gerade im Hinblick auf effiziente, gut organisierte Lieferketten noch Verbesserungspotenzial“, führt Harley weiter aus. Die Lieferketten konventioneller und erneuerbarer Energien würden sich in Bezug auf Projektgröβe, Fördergebiete und Dienstleister immer mehr angleichen. Das biete die Möglichkeit, voneinander zu lernen und Know-how auszutauschen.
Die Aussagen von Logistikmanagern in der Öl- und Gasbranche belegten, dass 40 Prozent ihrem Unternehmen eine mangelhafte Lieferkettentransparenz bescheinigen. Nur einer von 20 Managern vertrete die Meinung, dass eine vollständige Transparenz der Supply Chain im Unternehmen gegeben sei. Die Studie empfiehlt eine zentrale Koordination der Logistik, die durch die Überwachung und Verfolgung der weltweiten Lieferkette unterstützt werden soll. Dieser Ansatz könne Energiegesellschaften helfen, Betriebskosten zu senken und das Materialmanagement zu verbessern, so dass Bestände zentral gelagert und ein Ressourcenpool genutzt werden können.
Die Studie empfiehlt die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen und den Wissensaustausch mit Wettbewerbern, damit der Sektor effizienter werden kann. Beispiele wie der Ölschieferabbau in den Vereinigten Staaten machten deutlich, dass durch eine Standardisierung enorme Effizienzsteigerungen in einer ganzen Subbranche möglich seien. Hier habe sich dank standardisierter Prozesse die Produktivität seit 2007 um 30 Prozent jährlich erhöht. Bislang habe sich die Energiebranche mit Maßnahmen wie standardisierten Anlagen oder gemeinsam genutzten Einrichtungen jedoch schwer getan.
Interessanterweise sei die Mehrheit der Entscheidungsträger (73 Prozent) der Ansicht, dass mehr Offenheit nötig sei, dennoch stünden dem Konzept einer gemeinsamen Nutzung und des Wissenstransfers zur Senkung von Kosten aktuell lediglich 13 Prozent positiv gegenüber. Energiegesellschaften sollten auch in Betracht ziehen, Strategien und Prozesse von andern Branchen zu übernehmen, heißt es. Hier biete sich als Beispiel vor allem die Automobilindustrie an, die ihre Logistikketten zum größten Teil standardisiert hat und damit effizienter arbeiten kann.