Demnach steigt die Zahl der Haushalte in Deutschland, die Heizwärme und Warmwasser über ein Wärmenetz beziehen. Jedes Jahr kommen rund 75.000 neue hinzu, insgesamt sind es bereits 5,7 Millionen.
Der Anteil der Nah- und Fernwärme am Endenergieverbrauch der deutschen Haushalte liegt derzeit bei knapp 14 Prozent. Um ihn zu steigern und klimafreundlicher zu machen, fördert der Bund seit Juli 2017 besonders energieeffiziente Modellvorhaben. Fördergelder für Wärmenetze gibt es auch über das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG). Neben der Stromvergütung für KWK-Anlagen und der Förderung von Wärme- und Kältespeichern sieht das KWKG eine investive Förderung für Wärmenetze vor.
Konsequente Optimierung des Gesamtsystems
„Die Realisierung von Wärmenetzen der vierten Generation bedeutet die konsequente Optimierung des Gesamtsystems bestehend aus der Wärmeerzeugung, der Wärmeverteilung über ein Netz und der Wärmeabnahme durch die Nutzer“, sagt Helmut Böhnisch, Leiter des KEA-Kompetenzzentrums Wärmenetze. Zu den nötigen Optimierungsmaßnahmen gehören seiner Ansicht nach unter anderem die Nutzung von Wärmequellen auf Niedertemperaturebene wie Abwärme und Solarthermie, darauf abgestimmte Verteilnetze mit gut gedämmten Rohren und niedrigen Rücklauftemperaturen sowie, auf der Seite der Gebäude, der hydraulische Abgleich des Heizungssystems.
Als relevant gilt auch die Einbindung von modernen Speichern. Bessere Erträge, geringere Netz- und Speicherverluste und eine höhere Effizienz seien die Folge. Diese Faktoren sollen helfen, die Kosten von Wärmenetzen zu senken.
Fixierung auf Einzelheizungen aufgeben
Mit einer Beispielrechnung zeigt die KEA einen möglichen Ausbaupfad auf: Werden bis zum Jahr 2050 pro Jahr 50 ausgedehnte Wärmenetze in Baden-Württemberg in Betrieb genommen, können bis dahin zusätzlich 1.600 Dörfer und Städte unterschiedlicher Größe einen Beitrag zur Wärmewende leisten. Voraussetzung dafür ist, dass die Netze weitgehend das gesamte Siedlungsgebiet erschließen, erneuerbare Energien sowie Abwärme zum Einsatz kommen und die Häuser sukzessive gedämmt werden.
Auf diese Weise hätten bis 2050 bereits über 30 Prozent der Ortschaften in Baden-Württemberg Anschluss an ein Wärmenetz. In Dänemark beispielsweise liege der Anteil der Nah- und Fernwärme an der Wärmeversorgung von Gebäuden bereits heute bei 63 Prozent – und das mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien.
Wie große solarthermische Anlagen erfolgreich integriert werden können, zeigen auch Beispiele in Deutschland, so die KEA. Im Bioenergiedorf Hallerndorf nördlich von Nürnberg wird die Wärme durch den Einsatz von Pellets und Solarthermie zu 100 Prozent regenerativ erzeugt. Solche Projekte funktionierten jedoch nur dann, wenn beim Wärmenetz und bei der Anlagentechnik alle Stellschrauben zur Optimierung ausgenutzt sind. Dazu gehören unter anderem die Absenkung der Rücklauftemperaturen. Hinzu kommen der Einsatz von Doppelrohren mit einer Vor- und Rücklaufleitung in einem Isolationskörper und bessere Rohrdämmungen.
Wärmespeicher als wichtiges Element
Um Angebot und Nachfrage auszugleichen, gehören zu Wärmenetzen auch Wärmespeicher, heißt es. Die in Deutschland angebotenen Wärmespeicher erreichten zwar noch längst nicht die Größe der in Dänemark realisierten saisonalen Speicher, doch auch hierzulande gehe es voran. So wurden bereits Biogas- und Holzvergasungsanlagen, die in ein Wärmenetz speisen, mit Speichern von einigen tausend m³ Volumen ausgestattet. Eine interessante Option stelle deren Einsatz bei der Wärmeversorgung von Neubaugebieten mit 100 Prozent solarer Deckung dar. Erfolge die Wirtschaftlichkeitsrechnung über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren, erzielten die Wärmenetze bereits unter heutigen Randbedingungen Kostenvorteile gegenüber anderen Versorgungsvarianten.
Allerdings werden die Förderangebote in Deutschland nach Einschätzung der KEA alleine nicht ausreichen, die notwendigen Schritte anzustoßen. Bei der Umstellung großer städtischer Fernwärmesysteme auf erneuerbare Energien griffen beispielsweise die bestehenden Programme nicht. Eine hohe Ausbaurate wird nur zu erreichen sein, wenn Wärmenetze durch Einführung einer CO2-Steuer wirtschaftlicher werden und die kommunale Wärmeplanung überall zum Standard wird. Solarthermische Freiflächenanlagen müssen in das Raumordnungsrecht integriert werden.
Energieeffiziente Netze mit einem solaren Anteil funktionieren in anderen europäischen Ländern
Dass energieeffiziente Netze mit einem solaren Anteil funktionieren, zeigt ein Blick in andere europäische Länder: In den vergangenen fünf Jahren lag das Marktwachstum bei solaren Wärmenetzen jeweils bei 35 Prozent. Gute Fortschritte macht dabei nicht mehr nur der Vorreiter Dänemark, wo bereits in weit über 100 Städten und Gemeinden Solarthermieanlagen einen Beitrag von 15 bis 60 Prozent zur Fernwärmeversorgung leisten.
Auch in Österreich, Deutschland, Frankreich, Schweden ist die netzgebundene Solarthermie stark im Kommen, heißt es. Das Spektrum reicht von der Versorgung einzelner Quartiere über ganze Gemeinden bis hin zu ganzen Städten. Die zweitgrößte Stadt Österreichs, Graz, plant beispielsweise, ihr Fernwärmenetz vollständig zu dekarbonisieren. Zur Versorgung sollen unter anderem bis zu 450.000 m² Solarthermie-Kollektoren beitragen.
Stahl-Doppelrohre und hydraulischer Betrieb
Technische Fortschritte haben in den vergangenen fünf Jahren Wärmenetze enorm vorangebracht, heißt es weiter. Mit dreifach gedämmten Stahl-Doppelrohren beispielsweise lassen sich gegenüber Stahl-Einzelrohren mit Standarddämmung über 50 Prozent der Wärmeverluste vermeiden, empfiehlt die KEA. Auch der hydraulisch bisher als schwierig eingeschätzte Betrieb von Wärmenetzen mit mehreren Einspeisepunkten oder mit dezentralen Pufferspeichern lasse sich durch den Einsatz moderner Regelungstechnik mittlerweile gut beherrschen.
Die dadurch möglich gewordenen kleineren Rohrleitungsquerschnitte sparen Material und senken damit die Investitionskosten, senken die Netzverluste und verringern die Betriebskosten, heißt es. Die Rücklauftemperatur von Hausstationen in Mehrfamilienhäusern konnte ebenfalls deutlich reduziert werden. Rücklauftemperaturen im Bereich zwischen 16 und 30 Grad Celsius seien inzwischen machbar. Bislang waren oft 50 bis 60 Grad üblich. Ist die Differenz zwischen Vorlauf- und Rücklauftemperatur größer, werde die Energie besser ausgenutzt, und die Kosten sinken.