Anlass sei die Diskussion um importierte „grüne“ Gase, auch als „Power to Gas“ (PtG) oder „Power to X“ (PtX) bezeichnet, heißt es in einer Mitteilung der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff). Die Experten, zu denen unter anderem Prof. Uwe Leprich von der HTW des Saarlandes und der Wuppertaler Wissenschaftler Prof. Peter Hennicke zählen, sehen die Gefahr, dass durch die Diskussion über PtG von wichtigen Handlungsfeldern hierzulande abgelenkt werden könnte.
Mit den grünen Gasen meinen die Verfasser des Papiers insbesondere aus sonnenreichen Regionen wie Nordafrika importierte synthetische Brennstoffe wie Wasserstoff und Methan, die dort mit erneuerbar erzeugtem Strom hergestellt werden. Die Unterzeichner sähen diese zwar als wichtigen Beitrag für die erneuerbare Energieversorgung in Deutschland, berichtet die Deneff. Sie warnten jedoch gleichzeitig, es wäre eine „Irreführung“, würde der Eindruck erzeugt, dies allein ermögliche schnelle CO2-Reduktionserfolge.
Die Kosten importierter „grüner“ Gase für Endverbraucher seien „kaum absehbar und hinreichende Kapazitäten nicht vorhanden“, geben die Unterzeichner zu bedenken. Auch seien die möglichen Spielräume, etwa noch zu niedrige Sanierungsraten bei Gebäuden durch CO2-arme Energieimporte zu kompensieren, gering. Hinzu kämen neue Importabhängigkeiten und damit mögliche geopolitische Erpressbarkeiten sowie Fragen der technischen Nutzbarkeit.
„Zentrale Rolle einer forcierten, alle Sektoren umfassenden Effizienzstrategie“
Die Kritik binden die Experten in einen Appell ein: „Um dem trügerischen Eindruck entgegenzuwirken, eine verstärkte Nutzung größtenteils aus dem Ausland importierter ‚grüner‘ Gase könne die politischen Anstrengungen im Bereich der Energieeffizienz mindern oder gar überflüssig machen, möchten die unterzeichnenden Expertinnen und Experten explizit auf die nach wie vor zentrale Rolle einer forcierten, alle Sektoren umfassenden Effizienzstrategie hinweisen.“
Sie sehen die Gefahr, dass durch „falsche Hoffnungen in großskalige Grüne-Gase-Technologien“ wertvolle Zeit verschlafen würde zur Umsetzung von Effizienzmaßnahmen, die „wesentlich kostengünstiger umzusetzen“ seien. In Folge könnten etwaige EU-Strafzahlungen weiter anwachsen.
IWO: „Keinen Gegensatz zwischen synthetischen Brennstoffen und Effizienz konstruieren“
Damit kritisieren die Experten auch bisherige politische Versäumnisse der Bundesregierung im Bereich Energieeffizienz. Sie appellieren an die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag angekündigte Energieeffizienzstrategie und weitere breitenwirksame Maßnahmen unverzüglich umzusetzen. Dazu schlagen Sie ein Dutzend konkreter Maßnahmen vor. Sie fordern unter anderem einen CO2-Preis für den Wärme- und Verkehrssektor von mindestens 50 € pro Tonne, Effizienzanreize für Gebäudeeigentümer und Industrieunternehmen sowie einen zukunftsfähigen Neubaustandard im Gebäudeenergiegesetz.
Das Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO) kritisiert ihrerseits den Vorstoß der Deneff und der 23 Energieexperten. „Einen Gegensatz zwischen synthetischen Brennstoffen und Effizienzsteigerung zu konstruieren ist wenig sinnvoll – im Gegenteil: Wir brauchen beides“, meint IWO-Geschäftsführer Adrian Willig. Auch zukünftige synthetische erneuerbare Energieträger sollten effizient genutzt werden. „Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass bestehende Gebäude energetisch optimiert und alte Heizungsanlagen gegen effiziente Systeme ausgetauscht werden. Wo es sinnvoll ist, sollten erneuerbare Energien zudem direkt zum Heizen genutzt werden, etwa in Hybridheizungen“, so Willig.
Eine Studie des ITG Dresden zeige, wie zum Beispiel die Klimaziele im ölbeheizten Gebäudebestand auf diesem Weg erreicht werden könnten. Neben Effizienzsteigerung und Hybridisierung trügen als eine weitere Option erneuerbare flüssige Energieträger bei. „Ein Maßnahmenmix, der synthetische Brennstoffe mit einschließt, ist der robustere Weg zu mehr Klimaschutz“, so der IWO-Geschäftsführer. Wenn die Steigerung der Modernisierungsquoten im Gebäudebereich ins Stocken gerate, könnten mit „weitgehend treibhausgasneutralen Brennstoffen“ die CO2-Minderungsziele dennoch erreicht werden, so Willig, der diesbezüglich auch auf Ergebnisse der dena-Leitstudie „Integrierte Energiewende“ verweist.