Projekt HeatFlex: Wie können kleine dezentrale Stromnutzer das Netz stabilisieren?


„Aus den Tests erwarten wir genaue Erkenntnisse zum nutzbaren Leistungspotenzial kleiner dezentraler Verbrauchseinheiten und wollen zeigen, wie man auch mit bestehender Technologie flexibel auf Engpasssituationen reagieren kann,“ sagt Wolfgang Hildebrand, verantwortlich für das Projekt bei der Bayernwerk Netz GmbH. „Damit denken wir das zukünftige Netzengpassmanagement schon heute weiter: Während der Gesetzgeber in seinen neuesten Überarbeitungen vor allem die Nutzung von dezentralen Anlagen zur Erzeugung und Speicherung von Strom vorsieht, erproben wir auch die Potenziale von dezentralen Verbrauchern.“


Power-to-Gas, bidirektional ladbare Elektroautos, Heimspeicher und Blockchain-Technologie
„Mit diesem Projekt erproben wir bereits heute Lösungen für morgen. HeatFlex ist eines der Pilotprojekte, mit denen wir erforschen, welche dezentralen Flexibilitäten wir in Zukunft nutzen können, um das Netz zu stabilisieren. Dazu gehören zum Beispiel auch Projekte mit Power-to-Gas, mit bidirektional ladbaren Elektroautos oder mit Heimspeichern und Blockchain-Technologie. Alles das zahlt künftig auf die Versorgungssicherheit ein und kann dazu beitragen, den Bedarf an neuen Stromleitungen nach 2030 deutlich zu reduzieren“, so Tennet-Geschäftsführer Wilfried Breuer.


Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber arbeiten Hand in Hand

Tennet sei es besonders wichtig, solche Pilotprojekte Hand in Hand mit Verteilnetzbetreibern zu entwickeln.


Die dezentralen Stromnutzer, um die es bei HeatFlex geht, sind zum Beispiel elektrische Nachtspeicherheizungen, Wärmepumpen, Warmwassererhitzer und potenziell auch Elektrofahrzeuge im Gebiet des Bayernwerks. Sie sind durch den Verteilnetzbetreiber mittels Rundsteuertechnologie steuerbar. Droht zum Beispiel aufgrund von viel Windstrom, der in das Netz drückt, ein Transportengpass im Übertragungsnetz – also ein „Stau“ auf der „Stromautobahn“ – wird heute konventionelle Erzeugung verlagert.


Das heißt: Vor dem „Stau“ wird im Norden die konventionelle Erzeugung verringert, um „staugefährdete“ Leitungen zu entlasten. Hinter dem „Stau“ im Süden müssen dann andere Kraftwerke hochgefahren werden, um die reduzierte Erzeugung wieder auszugleichen.


Über 170.000 dezentrale steuerbare Stromnutzer im Versorgungsgebiet des Bayernwerks

Im Projekt „HeatFlex“ übernehmen dezentrale Stromnutzer die Aufgabe dieser Kraftwerke: Bei Transportengpässen sollen sie auf Anforderung von Tennet durch das Bayernwerk angesteuert werden und dann aufhören, Strom aus dem Netz zu ziehen. So können sie dem Netz den zur Stabilisierung notwendigen Strom zur Verfügung stellen.


Im Versorgungsgebiet des Bayernwerks sind über 170.000 dezentrale steuerbare Stromnutzer angeschlossen, die über eine Leistung von insgesamt etwa 200 MW verfügen. Ein erster Test im Sommer bewies bereits die technische Machbarkeit von HeatFlex: Auf Anforderung von Tennet wurden bei realen Transportengpässen dezentrale Stromnutzer durch das Bayernwerk gesteuert. Dabei zeigte sich, dass die Kommunikation zwischen den Leitstellen beider Netzbetreiber schnell und problemlos funktionierte und unverzüglich auf die Engpässe reagiert werden konnte.


Wie hoch ist das netzstabilisierende Potenzial in extremer Versorgungssituation?

Jetzt führen die beiden Netzbetreiber weitere Tests durch. Sie sollen zeigen, wie hoch das netzstabilisierende Potenzial dieser dezentralen Stromnutzer in einer extremen Versorgungssituation ist. Die kalte Jahreszeit sei hierfür besonders geeignet, da hier kalte Temperaturen und ein hoher Strom- und Wärmebedarf zusammenkommen und große Strommengen transportiert werden müssen. Ergebnisse erwarten die Netzbetreiber gegen Ende des ersten Quartals 2019.


Wie kann Sektorkopplung funktionieren?

Das Projekt soll auch Wege aufzeigen, wie die Sektorkopplung, d.h. die Verbindung von Strom-, Gas-, Mobilitäts und Wärmesektor zu einem Gesamtsystem funktionieren kann. Dezentrale Einheiten in den Verteilnetzen werden zukünftig Netzbetreiber vor neue Herausforderungen stellen, beispielsweise, wenn sie zeitgleich hohe Leistungen aus dem Netz beziehen oder auch einspeisen, heißt es.


Zugleich können sie auch Teil der Lösung zur Vermeidung von Netzüberlastungen sein, wenn für deren Nutzung geeignete Rahmenbedingungen existieren. Im Rahmen des bis Mitte 2019 laufenden Projektes sollen unter Berücksichtigung der technischen Potenziale auch hierzu Vorschläge erarbeitet werden.


Noch kommt es wegen der zunehmenden dezentralen Einspeisung erneuerbarer Energien immer öfter zu Transportengpässen im Stromnetz. Um sie zu vermeiden, greift Tennet in die Erzeugung von konventionellen Kraftwerken und von Erneuerbaren ein und sorgt so dafür, dass der Stromtransport im Rahmen der Übertragungskapazität des Netzes liegt. Die Kosten hierfür lagen 2017 nach Angaben von Tennet deutschlandweit bei ca. 1,4 Mrd. Euro.