Dementsprechend groß sei ihre Rolle in den meisten Langfristszenarien für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung im urbanen Raum, schreibt die Denkfabrik in ihrer Dokumentation zur einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Berliner Energietage 2019. Wenn es um den klimaneutralen Gebäudebestand in Innenstädten und hochverdichteten Ballungsräumen geht, lande man unweigerlich beim Thema „grüne Fernwärme“.
Insgesamt stehen die Betreiber von Fernwärmenetzen dabei vor folgenden Herausforderungen, heißt es:
- Bessere Dämmung der angeschlossenen Gebäude zur Verringerung der Heizlast
- Absenkung der Netztemperaturen zur Einbindung erneuerbarer Energien
- Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit auch bei sinkendem Wärmebedarf der angeschlossenen Gebäude
- Umgang mit Unsicherheit bezüglich der Verfügbarkeit und Kosten von klimaneutralem Gas
- Fehlender gesetzlicher Rahmen zur systematischen Dekarbonisierung der Fernwärmenetze.
Laut der Publikation wird zur Fernwärmeerzeugung derzeit hauptsächlich Kohle und Gas verfeuert. Um klimafreundliche Wärmequellen einzubinden, stehen die Fernwärmenetzbetreiber vor der Herausforderung, dass viele diese Quellen auf niedrigeren Temperaturniveaus liegen und eine Absenkung der Netztemperaturen für eine wirtschaftliche Wärmeeinbindung erfordern.
Reduzierung der Heizlast im Netz
Ein Absenken der Vorlauftemperaturen könne, so Agora Energiewende, in vielen Fällen nur mit einer Reduzierung der Heizlast im Netz einhergehen. Das sei meist nur in Kombination mit einer Verringerung des Heizbedarfs der Gebäude im Netzbereich durch energetische Sanierung möglich.
Auch könne die Absenkung nicht nach Belieben erfolgen. Sie werde eingeschränkt durch die Bedürfnisse industrieller Verbraucher und den Sanierungsstand der Gebäude im Netzgebiet. Damit sei die Dekarbonisierung der Fernwärme in hohem Maße von den lokalen Gegebenheiten abhängig – und jeder Transformationspfad eines Bestandsnetzes eine sehr individuelle Angelegenheit.
Lokale Abwärme-Potentiale bereits vielerorts konkurrenzfähig
Beispielsweise erforderten Solarthermie-Anlagen Platz für die Kollektorfelder und konkurrierten gerade in der Stadt mit Wohnraum, gewerblicher Nutzung und anderer Infrastruktur. Wo vorhanden, könnten lokale geothermische Potentiale in das Netz eingebunden werden, die Netzbetreiber vielerorts selbst für die Bereitstellung von Grundlast nutzen könnten.
Lokale Abwärme-Potentiale seien bereits heute vielerorts konkurrenzfähig. Auch existiere die Möglichkeit, mit strombasierten Anwendungen die CO2-Intensität der Wärme zu verringern. Power-to-Heat-Anlagen könnten kurzfristig auf erneuerbare Stromüberschüsse reagieren und diese in Wärme umwandeln.
Der Publikation zufolge wird, neben saisonalen Wärmespeichern als letztes Puzzlestück, in vielen Netzen ein gewisser Bedarf an Residualerzeugung verbleiben. Wärmenetzsysteme könnten sich ähnlich wie das Stromsystem entwickeln, so dass dargebotsabhängige Energien wie Solarthermie und Strom aus Wind und PV genutzt werden, wenn vorhanden, und andere Technologien die verbleibenden Lücken in der Wärmeerzeugung schließen. Dies könnten Spitzenlastkessel und KWK-Anlagen sein, die mit Biogas oder strombasierten Brennstoffen befeuert werden, je nach örtlichen Potenzialen, aber auch Großwärmepumpen oder Geothermie.
Vattenfall Wärme Berlin, Stadtwerke München, MVV Energie beantworten Leitfragen
Agora Energiewende hat die Fernwärmeversorger Vattenfall Wärme Berlin AG, Stadtwerke München GmbH und MVV Energie AG gebeten, jeweils sieben identische Leitfragen zu den Dekarbonisierungsperspektiven ihrer Wärmenetze zu beantworten. Ergänzt wurden diese Einschätzungen durch einen Beitrag von ifeu und Hamburg Institut, der einen Überblick an möglichen Politikinstrumenten zur Dekarbonisierung der Fernwärme liefert.
Das sagen die Fernwärmeversorger zu ihren Dekarbonisierungsplänen:
Vattenfall Wärme Berlin
Den angestrebten Dekarbonisierungspfad von Vattenfall Wärme Berlin beschreibt das Unternehmen durch die 3 Phasen Braunkohleausstieg bis 2020, Steinkohleausstieg bis spätestens 2030 und Ausstieg aus dem fossilen Gaseinsatz bis spätestens 2050. Die Haupt-CO2-Einsparungen bis zum Jahr 2030 ergeben sich hierbei durch die Umstellung von Kohle auf Gas-KWK.
Als Sektorkopplungstechnologie wird die Kraft-Wärme-Kopplung im Transformationspfad bis 2050 zusätzlich mit Power-to-X ergänzt. Nach 2030 ergeben sich die größten CO2-Senkungen mit Power-to-District-Heat und später mit synthetischen Brennstoffen.
Stadtwerke München
Die Stadtwerke München planen, dass die Fernwärme bis zum Jahr 2040 vollständig CO2-neutral erzeugt werden soll, vorrangig durch den Einsatz von Tiefengeothermie aus München und dem Umland.
Die Stadt München habe sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 weitgehend klimaneutral zu werden. Für die Transformation des Wärmemarkts bis zum Jahr 2040 bedeute dies eine Reduktion der wärmebedingten CO2-Emissionen der Münchner Wohngebäude um 70 Prozent gegenüber 2014.
MVV Energie
MVV Energie plant, bis Ende 2019 das abfallbefeuerte Heizkraftwerk Mannheim an das Fernwärmenetz der MVV anzuschließen. Dadurch könnten in Zukunft etwa 25 Prozent der Wärme CO2-frei erzeugt werden. Weitere Dekarbonisierungsschritte seien abhängig von den Auswirkungen des Kohleausstiegs auf das Großkraftwerk Mannheim.
Aktuell zeichne sich bereits ab, dass bis zum Jahr 2038 die Wärmeerzeugung der bestehenden Kohle-Kraftwerksblöcke durch Alternativen ersetzt werden muss. Eine Wärmeerzeugung z. B. auf Basis von Erdgas, Biomasse, Solarthermie, Geothermie sowie Strom in Wärmepumpen wäre denkbar.