Wie können Regionen, Städte und Gemeinden Smart Grids erfolgreich errichten?


Das Projekt Replicability Concept for Flexible Smart Grids (Reflex) analysierte 8 europäische Pilotprojekte in vier Ländern. Ziel war es, ein Konzept zur Übertragbarkeit von intelligenten Energieversorgungssystemen aus bestehenden Pilotprojekten auf andere Standorte zu entwickeln. „Regionen sollen so bei der Errichtung klimafreundlicher Energieinfrastrukturen mit weniger CO2-Ausstoß unterstützt werden“, so Simon Hummel, Projektleiter am ZSW: „Anders ausgedrückt: Voneinander lernen lohnt sich – nicht jede Kommune muss das Rad neu erfinden.“


Soll die Energiewende gelingen, seien effiziente, ganzheitliche Energiekonzepte notwendig. Viele nachhaltige Energiesysteme sind technologisch ausgereift und können in smarte Strom- und Wärmenetze integriert werden. Allerdings sollten vorhandene Konzepte nicht einfach kopiert, sondern auf die Bedingungen vor Ort angepasst werden, so die Projektpartner. Entscheidend für die Umsetzung von kommunalen Projekten sei die Akzeptanz in der Bevölkerung für moderne Energieinfrastrukturen und Investitionen in die Zukunft, auch wenn deren Rentabilität kurzfristig nicht immer gegeben sei. Dabei könnten Fördermittel helfen.


Lokale Know-how-Träger und Installationsbetriebe mit einbeziehen

Es empfehle sich zudem, neben der Erfahrung von entsprechenden Energiedienstleistern und wissenschaftlichen Instituten insbesondere lokale Know-how-Träger und Installationsbetriebe mit einzubeziehen. Denn ein kontinuierliches Monitoring helfe, den korrekten und nachhaltigen Betrieb der Installationen über viele Jahre zu gewährleisten. Wissenschaftliche Begleitforschung könne die Erkenntnisse für weitere Anwender nutzbar machen.


Als industrienahes Institut mit Erfahrung in der Entwicklung und Umsetzung von nachhaltigen Energiesystemen hat das ZSW im Projekt die eingesetzten Technologien verglichen. Photovoltaikanlagen wurden bei allen betrachteten Pilotprojekten genutzt und bilden somit das Rückgrat der dezentralen Stromerzeugung. Ebenfalls weit verbreitet sei Biomasse. Laut den Forschern ist gerade das Zusammenspiel verschiedener regenerativer Energien ideal für Smart Grid-Lösungen: „Das Monitoring etwa im Pilotprojekt Wüstenrot zeigt, dass Solarenergie und Windkraft sich gut ergänzen, um gemeinsam den täglichen Strombedarf aus erneuerbaren Energien zu decken“, so Hummel.


Wärmepumpen neben PV und Biomasse-BHKW

Bei der Wärmeerzeugung setzen alle Pilotprojekte auf elektrische Wärmepumpen. Grund hierfür ist die einfache und effiziente Kopplung vom Strom- zum Wärmesystem. Solarthermie, oberflächennahe Geothermie oder Biomasse-BHKW in Verbindung mit Wärmenetzen werden ebenfalls häufig eingesetzt. Bei kommunalen Energieprojekten bilden Biomasse-Blockheizkraftwerke, die an ein Wärmenetz angeschlossen sind, die Schlüsseltechnologie für die Wärmeversorgung.


Die weitere Bewertung des ZSW ergab: Ein optimiertes Gesamtenergiesystem koppelt nicht nur die Sektoren Elektrizität und Wärme, sondern auch Elektrizität und Mobilität, um die Gesamteffizienz, Nachhaltigkeit und Integration erneuerbarer Energiequellen zu steigern. Für den nachhaltigen Betrieb von smarten Energiesystemen sei die Einbindung von Messsystemen und das Monitoring der verschiedenen Technologien eine wesentliche Voraussetzung.


Simulationstool und Leitfaden für smarte Energienetze

Das Ergebnis des Mitte 2019 abgeschlossenen Vorhabens liegt nun in Form eines kostenfrei erhältlichen Leitfadens vor, der einige wesentliche Smart Grid-Lösungen und die verwendeten Technologien hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit und Skalierbarkeit bewertet. Der Leitfaden ist als Hilfestellung für kommunale Entscheidungsträger ausgelegt. Im ersten Teil werden sozioökonomisch relevante und technisch übertragbare Anwendungsfälle, basierend auf Beispielen aus den im Projekt Reflex betrachteten Smart Grid-Regionen, beschrieben. Der zweite Teil enthält eine Checkliste und eine Werkzeugbox, die Interessenten bei Planung und Entscheidung unterstützen.


Die Beteiligten haben außerdem ein Simulationswerkzeug entwickelt: „ReflexBox“ schätzt das Energiebedarfsprofil für Strom und Wärme von Haushalten und Wohngebieten ab und gibt Auskunft darüber, wie zeitlich flexibel der Energiebezug je nach eingesetzter Technologie sein kann. ReflexBox soll Kommunen sowie Verteilnetzbetreiber bei der Planung ihres lokalen Smart Grid-Wärme-Projektes unterstützen. Das Modell informiert Entscheidungsträger über den Nutzen von intelligenten Energiesystemen für Haushalte, insbesondere das Flexibilitätspotenzial und die Verschiebepotenziale von Last und Erzeugungen – und all dies unter der Berücksichtigung der klimatischen Bedingungen vor Ort. Der Leitfaden und das Simulationsmodell sind in englischer Sprache kostenfrei zugänglich.


Ein weiteres Ergebnis des Projekts war, dass die untersuchten Smart Grid-Regionen zeigten, dass durch geeignete Informationen Bürger auf lokaler Ebene bereit sind, sich an Infrastruktur zu beteiligen, die einen hohen Anteil an regenerativer Energie lokal erzeugt und nutzt. Für eine umfassende Energiewende müssten jedoch zusätzlich regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden, so dass sich unter anderem auch Geschäftsfelder für die saisonale Speicherung von Energie und für die Erzeugung von erneuerbaren Kraftstoffen für Teile des Mobilitätssektors, etwa über Power-to-Gas, entwickeln können.