Bringt das Investitionsbeschleunigungsgesetz die Energiewende wirklich voran?


Das Bundeskabinett hat den im Bundesverkehrsministerium (BMVI) erarbeiteten Entwurf für ein Investitionsbeschleunigungsgesetz verabschiedet. Die Regelungen betreffen große Infrastrukturprojekte, das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat sich erfolgreich für die Berücksichtigung der Windenergie eingesetzt. Mehr als einen ersten Schritt sieht man beim Bundesverband Windenergie (BWE) allerdings nicht. „Ein Energiewende-Turbo ist dieses Gesetz noch lange nicht“, heißt es auch bei der Energiegenossenschaft Greenpeace Energy. Die großen Energieverbände BDEW und VKU sehen Nachbesserungsbedarf bei der Kraft-Wärme-Kopplung. Und die Anwaltskanzlei prometheus aus Leipzig spricht mit Blick auf den Gesetzentwurf gar von „blankem Aktionismus“.


„Wir beschleunigen Genehmigungen, verkürzen Gerichtsverfahren, sorgen für schnelleres Baurecht, entschlacken die Verfahren“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Damit nehme man „alles in den Blick, wo es bislang klemmt“, so der Minister. Verkürzt werden soll der Instanzenweg unter anderem bei Windenergieprojekten. Hier sollen in erster Instanz künftig die Oberverwaltungsgerichte oder Verwaltungsgerichtshöfe zuständig sein. „Das spart eine Instanz und verkürzt die Zeit der Verfahren“, heißt es beim BMVI. Um Personalknappheit an den Gerichten zu begegnen, sollen Richter zudem flexibler eingesetzt und Kompetenzen in Gerichten gebündelt werden können.


Ein weiterer Bestandteil des Gesetzesvorhabens ist der sofortige Vollzug des Baurechts. Für „überregional wichtige Infrastrukturprojekte“ werde gesetzlich ein Sofortvollzug angeordnet. Das heißt: Nach Genehmigung durch die zuständige Behörde kann sofort gebaut werden. Die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen oder Anfechtungsklagen entfällt in diesen Fällen. Das gilt nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) auch für „bestimmte Windenergieanlagen“. Im Gesetzesentwurf heißt es dazu: „Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern haben keine aufschiebende Wirkung.“ Der Weg des einstweiligen Rechtsschutzes im Eilverfahren bleibe erhalten.


Beschleunigt werden soll zudem die Prüfung der Raumverträglichkeit. Infrastrukturprojekte werden in Deutschland in der Regel in einem zweistufigen Prozess zugelassen: Dem Raumordnungsverfahren zur Prüfung der (über)regionalen Auswirkungen eines Projektes folgt das Planfeststellungsverfahren zur Erteilung der des Baurechts. „Um Doppelarbeiten zu vermeiden, kann künftig auf ein Raumordnungsverfahren verzichtet werden, wenn keine entsprechenden Konflikte zu erwarten sind“, heißt es beim Bundesverkehrsministerium. Darüber hinaus werde das Verfahren z.B. durch Online-Veröffentlichungen stärker digitalisiert.


Das Bundeswirtschaftsministerium habe „Beschleunigungen im Energiebereich in das Gesetz eingebracht“, betont das BMWi. Vor allem Verfahrensbeschleunigungen beim Bau von Windenergieanlagen seien berücksichtigt worden. Das Gesetz diene damit zugleich der weiteren Umsetzung des Aktionsplans zur Stärkung der Windenergie des Bundeswirtschaftsministeriums vom Herbst 2019, der darauf zielt, den Ausbau von Windenergie an Land zu beschleunigen. Zuletzt hatte es massive Kritik daran gegeben, dass der Aktionsplan in wesentlichen Teilen auch ein knappes Jahr nach Veröffentlichung nicht umgesetzt sei.


„Mit dem Investitionsbeschleunigungsgesetz ist ein großer Schritt hin zu schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren getan“, meint Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Mit dem Gesetz sorgen wir für eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land. So verkürzen wir den verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug und damit auch die Verfahrensdauer insgesamt.“


„Die Verkürzung des Instanzenweges hat sich bereits bei Infrastrukturprojekten bewährt“, erklärt auch BWE-Präsident Hermann Albers. Dies sichere eine rechtsstaatliche Überprüfung und vermeide teils langwierige Blockaden im Instanzenweg. „Dass Klagen gegen genehmigte Windenergieanlagen künftig den Bau oder die Planung nicht mehr aussetzen dürfen, ist ein wichtiger Schritt für die Planungssicherheit der Betreiber und Kommunen.“


BWE: Neben Sicherheit für erteilte Genehmigungen werden vor allem neue Genehmigungen benötigt


Für den BWE sei der Gesetzentwurf aber lediglich ein erster Beitrag. „Neben der Sicherheit für bereits erteilte Genehmigungen brauchen wir jedoch vor allem eins: mehr Genehmigungen“, sagt Albers. „Wir erwarten, dass der Bund dort wo er handeln kann, schnell und konsequent handelt.“ Unkompliziert wäre es „längst möglich, blockierte Flächen rund um Drehfunkfeuern frei zu machen indem internationale Standards für Prüfabstände genutzt werden“, heißt es beim BWE.


Auch andere Reaktionen aus der Windbranche fallen eher verhalten aus. „Ob die jetzt auf den Weg gebrachte Verfahrens-Beschleunigung tatsächlich den Windausbau voranbringt, muss sich erst noch erweisen: Statistisch ist schwer zu erfassen, wie viele der aktuell in der Luft hängenden Wind-Projekte davon tatsächlich profitieren würden“, meint Marcel Keiffenheim von Greenpeace Energy. „Tatsächlich könnten durch die Beschleunigung auch neue Risiken für Projektierer entstehen – wenn nämlich beklagte Projekte zwar fertig gebaut sind, aber dann im Gerichtsurteil negativ beschieden und schlimmstenfalls rückgebaut werden müssten.“ Auch bleibe abzuwarten, ob die künftig direkt zuständigen Oberverwaltungsgerichte „kapazitätsmäßig“ entsprechend ausgestattet seien, um die anstehenden Verfahren zügig abzuarbeiten.


BDEW und VKU sehen Notwendigkeit für schnelle Umsetzung von KWK-Projekten im Zuge des Kohleausstiegs


Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) findet wie der BWE Positives im Gesetzentwurf, sieht insbesondere im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung aber Nachbesserungsbedarf. Auch für die schnelle Genehmigung von KWK-Anlagen sei ein zügiger Abschluss möglicher Gerichtsverfahren erforderlich. Im Rahmen des Kohleausstiegs seien neue KWK-Anlagen auf der Basis von Gas „kurzfristig erforderlich“. Diese Ersatzkapazitäten müssten zeitnah zur Verfügung stehen. „Kürzere Genehmigungszeiträume für diese Anlagen sind deshalb essenziell.“


Das Segment von einem bis 50 MW elektrischer Leistung stelle dabei einen wesentlichen Sektor für den Neubau von KWK-Anlagen dar. „Deshalb sollten auch hier die Oberverwaltungsgerichte bereits in der ersten Instanz zuständig sein, damit alle ausschreibungspflichtigen Anlagen von kürzeren Verfahren profitieren können“, heißt es beim BDEW. Dies sei auch deshalb entscheidend, da KWK-Anlagen von einem bis 50 MW nur nach erfolgreicher Teilnahme an einer Ausschreibung eine Förderung erhalten. Anschließend haben die Betreiber viereinhalb Jahre Zeit für die Realisierung. „Wird gegen die Genehmigung der Anlage geklagt, wird dies vielfach dazu führen, dass die Realisierungsfristen überschritten werden und die der Förderung zugrunde liegenden Zuschläge erlöschen.“ Das sollte verhindert werden, „zumal Gas-KWK-Anlagen mittelfristig mit klimaneutralem Gas und damit ganz ohne CO2-Emissionen betrieben werden können.“


Der Verband kommunaler Unternehmen sieht Korrekturbedarf auch für die größeren KWK-Anlagen. Es sei „bedauerlich“, dass die Bundesregierung die ursprünglich vorgesehene Einbeziehung von KWK-Anlagen über 50 MW gestrichen habe. „Es wäre ein gutes Signal gewesen, wenn auch Streitigkeiten hinsichtlich dieser Anlagen direkt den Oberverwaltungsgerichten zugewiesen worden wären.“


Kanzlei: „Fraglich, ob das Kabinett überhaupt eine Vorstellung von den praktischen Problemen hat“


Die auf die erneuerbaren Energien spezialisierte Kanzlei prometheus aus Leipzig sieht Defizite auch in Bezug auf die Windenergie und spricht mit Blick auf das Investitionsbeschleunigungsgesetz von „blindem Aktionismus“. Die Verkürzung des Instanzenwegs sei eine „unzumutbare Belastung sowohl für die Oberverwaltungsgerichte als auch für die Betreiber“. Man müsse sich die Frage stellen, ob das Kabinett „überhaupt eine Vorstellung von den praktischen Problemen hat, mit denen die Windenergiebranche bei den Genehmigungsverfahren eigentlich zu kämpfen hat“.


Erforderlich wäre aus Sicht der Kanzlei die gesetzliche Festlegung einer Mindestflächenzahl für Windenergie in den Regionalplänen. Zudem sollten auch für Behörden in Genehmigungsverfahren strikte Bearbeitungsfristen mit konkreten Konsequenzen geregelt werden. „Lange Bearbeitungszeiten bei Fachbehörden verzögern nämlich massiv die Genehmigungsverfahren.“ Ferner sollte der Umfang der Antragsunterlagen in Vorbescheidverfahren auf die jeweils zu prüfende Frage eingeschränkt werden.


Auch der Begriff der sog. „Vollständigkeit“ von Genehmigungsanträgen sollte gesetzlich exakt definiert werden, da hierdurch Bearbeitungsfristen ausgelöst werden. Schließlich sollte der Gesetzgeber „endlich auch gegen den Missbrauch des Klagerechts von Umweltvereinen“ vorgehen. Immer mehr Windkraftgegner gründeten „Pseudo-Umweltvereine“ oder unterwanderten Umweltvereine, um von deren Klagerechten Gebrauch zu machen. „Solche Maßnahmen wären echte Verfahrensbeschleunigung und Investitionsschutz“, heißt es bei der Kanzlei.