„Ohne massive Steigerung der Energieeffizienz wird es keine erfolgreiche Energiewende geben“


Das betonen der Leiter des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion EEP an der Uni Stuttgart, Alexander Sauer, und der Vorsitzende des EEP-Beirats, Heinz Dürr, in einem Positionspapier, das unter anderem an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gesendet wurde.


Gerade jetzt, wenn der Widerstand gegen den weiteren Ausbau von Erneuerbaren und Netzen steigt, sollte die Energieeffizienz massiv vorangebracht werden, argumentieren die EEP-Experten. Die Verbesserung der Energieeffizienz, „gegen die es keine Bürgerproteste gibt“, helfe gleichzeitig, den Anteil der Erneuerbaren am Gesamtverbrauch zu erhöhen.

Um 2030 eine erneute Abweichung vom selbst vorgegebenen Klimapfad zu vermeiden, spricht das EEP fünf Empfehlungen aus:


1. Information zur Energiewende umgehend weiter intensivieren:


Damit dem Thema Energieeffizienz genug Aufmerksamkeit geschenkt werde, müsse eine breitere Öffentlichkeit angesprochen sowie Multiplikatoren genutzt werden. Kampagne wie „Deutschland macht’s effizient“ des BMWi würden durch die sektorübergreifend wirkende Maßnahme „Kommunikation Energieeffizienz“ im NAPE 2.0 „sinnvoll ausgebaut“, heißt es seitens des EEP. Eine noch stärkere Wirkung sollte jedoch der bereits begonnene Stakeholder-Dialog in der Breite erzielen. „Infolge des Dialogs sind die Antragszahlen für Förderinstrumenten deutlich und messbar angestiegen“, heißt es. „Daher sollte der Prozess nicht erst 2021 wiederaufgenommen werden.“ Zielführend seien Ansätze wie der des Netzwerks Energieeffizienz (KEFF) in Baden-Württemberg, öffentlich geförderte Effizienzmoderatoren zu beschäftigen, die als unabhängige und neutrale Ansprechpartner für Effizienzberatungen zur Verfügung ständen und vor Ort eine kostenlose Erstberatung vornehmen.


2. Mindeststandards und Transparenz bei der Energieberatung schaffen:


Eine Schlüsselrolle bei der Aufklärung und Umsetzung von Energieeffizienz in der Industrie haben laut EEP Energieberater und betriebliche Energiemanager. „Unzureichend ausgebildete Energieberater und Energiemanager identifizieren nicht nur zu wenig Potenziale bei zu hohen Kosten, sie können durch falsche Beratung und damit einhergehende Demotivation von Unternehmen sogar hinderlich sein“, heißt es weiter. Die NAPE 2.0-Maßnahme „Effizienzanalyse-Tools für Energieaudits“ gehe hier nicht weit genug. Neben geeigneten Tools für eine Potenzialanalyse seien auch eine Standardisierung und Definition von Kompetenzprofilen in der Beratung sowie ein Qualifikationsnachweis als Basis für eine zielführende Beratung notwendig. Die Definition von Qualitätsstandards für Energieberater bzw. das Produkt Energieberatung sollte einen allgemeingültigen Charakter haben. „Ebenso ist es notwendig, dass Energieberatungen grundsätzlich unabhängig und neutral erfolgen.“


3. Finanzierungshilfen und steuerliche Förderung anschieben:


Um Unternehmen zum Handeln zu motivieren, sollten Anschubförderungen vor allem für Maßnahmen mit hoher absoluter Wirkung auf den Energieverbrauch gewährt werden. Darunter fielen Investitionszuschüsse, welche die Amortisationszeit der meist komplexen Projekte verkürzen. Auch ein im NAPE 2.0 fortgeführtes Ausschreibungsverfahren für Energieeffizienzmaßnahmen oder ein Programm zur Förderung der Abwärmenutzung, bei dem Investitionszuschüsse von bis zu 40 Prozent vergeben werden, seien hier zu nennen.


Energieeffizienzmaßnahmen sollten darüber hinaus zu einer „klaren steuerlichen Berücksichtigung führen“, wie sie z.B. auch bei Gebäuden geplant ist. „Durch vorgezogene und degressive Abschreibungen oder Sonderabschreibungen haben Unternehmen Anreize, in Energieeffizienz zu investieren.“ Umgekehrt seien solche Maßnahmen bei der derzeitigen Zinssituation ohne Mehrkosten für den Staat umzusetzen.


4. Transparenz schaffen, passgenaue und einfache Angebote machen:


Derzeit werden laut EEP etwa 1,6 Mrd. € Fördermittel in Anspruch genommen, was lediglich zwei Dritteln des zur Verfügung stehenden Budgets entspreche. Dies liege „weniger an mangelndem Bedarf als vielmehr an zu komplexen und bürokratischen Beantragungsverfahren“, heißt es. „Die Vielzahl und Diversität erschwert zudem den Überblick über das Angebot.“


Wichtig bei der Entwicklung der Förderprogramme sei, dass sie regelmäßig auf ihre Zielgenauigkeit überprüft werden und dass Technologieoffenheit zugelassen werde. „Eine durchgehende Digitalisierung des Prozesses inklusive eventueller gesetzlich verankerter Einsparnachweise hilft, Umsetzungshürden abzubauen.“


Die angestrebte Bündelung bestehender Förderprogramme sei „längst überfällig“. Auch das Streben des BMWi, Förderbausteine ab 2020 mit möglichst standardisierten und vereinheitlichten Richtlinien modular und kombinierbar aufzubauen sowie das Vorhaben, Inhalte über ein One-Stop-Shop zugänglich zu machen, seien ein Schritt in die richtige Richtung. Besser noch wäre aus Sicht des EEP ein „One-Click-Shop“.


5. Rahmenbedingungen der Energiemärkte anpassen, um mehr Nachfrageflexibilität zu ermöglichen:


„Es ist nötig, die Geschäftsmodelle der Energiemärkte umzugestalten“, betont das EEP. Derzeit besteht eine Mindestanforderung an die Bereitstellung von Primärregelleistung, um an Energiemärkten teilnehmen zu können. „Deutschlands Unternehmenslandschaft besteht jedoch hauptsächlich aus kleinen und mittleren Unternehmen, von denen viele diese Mindestanforderung nicht erreichen“, heißt es weiter. Die Rahmenbedingungen müssten so angepasst werden, dass auch bei der Bereitstellung einer kleineren Leistung die Teilnahme an Energiemärkten möglich ist, wie es z.B. auch im Positionspapier des Kopernikus-Projekts Synergie gefordert wird.


Laut der Bundesnetzagentur wurden 2018 knapp 2,6 Prozent der vermarkteten Energiemenge aus erneuerbaren Energien abgeregelt. „Es müssen marktwirtschaftliche Anreize für Unternehmen mit dem Ziel gesetzt werden, Flexibilisierungsmaßnahmen in der Industrie auszubauen, sodass Abregelungen von Erzeugern erneuerbarer Energien vermieden werden können“, machen die Wissenschaftler deutlich. Dies verhindere hohe Abregelungsentgelte und verringere die Kosten für den Letztverbraucher. 2018 entstanden in Deutschland durch Redispatch- und Einspeisemanagementmaßnahmen Kosten in Höhe von über 1,1 Mrd. €, „was durch Flexibilisierung der Nachfrage deutlich reduziert werden könnte“.