Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg hat am 28. Juli 2020 im Kabinett die Novelle des Klimaschutzgesetzes beschlossen. Nach längerem Tauziehen ist damit der Weg zur Beratung im Landtag freigegeben, damit kann das Gesetz in einer der ersten Landtag-Sitzungen im September diskutiert werden. Kernpunkt ist die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 42 Prozent bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990. Die Neuregelung sieht unter anderem eine Photovoltaik-Pflicht für neue Nichtwohngebäude und eine Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung vor. Baden-Württemberg nimmt damit eine bundesweite Vorreiterrolle ein.
Umweltminister Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Gesetzentwurf als eine konsequente Weiterentwicklung des bisherigen Klimaschutzgesetzes aus dem Jahr 2013. Damals hatte die Landesregierung erstmals konkrete Einsparziele für Treibhausgasemissionen verbindlich geregelt. In der Novelle findet sich jetzt ein neues Zwischenziel für das Jahr 2030. Bis dahin sollen die Emissionen um mindestens 42 Prozent gegenüber der Ausstoßmenge von 1990 reduziert worden sein. Das 2030-Ziel ist ein Etappenziel auf dem Weg zur weitgehenden Klimaneutralität im Jahr 2050. „Es ist ein ambitioniertes Vorhaben, das wir mit konkreten Klimaschutzmaßnahmen und mit Investitionen in den Klimaschutz umsetzen müssen“, sagte Untersteller. „Das betrifft alle Ebenen und Sektoren. Klimaschutz kann nur gelingen, wenn er als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen wird.“
Entwurf definiert Klimaschutz-Pflichten
Neu im Gesetz ist unter anderem die Photovoltaik-Pflicht auf neuen Nichtwohngebäuden (ab dem Jahr 2022) und Parkplätzen mit mindestens 75 Stellplätzen. Neu ist auch, dass die Großen Kreisstädte und Stadtkreise im Land (in der Regel größer 20.000 Einwohner) verpflichtet werden, bis Ende 2023 eine kommunale Wärmeplanung vorzulegen. Alle Kommunen werden zudem verpflichtet, künftig ihren Energieverbrauch zu erfassen, um Einsparpotenziale zu erkennen und nutzen zu können.
Im Gesetz ist außerdem ein Steuerungsmechanismus verankert. Wenn beim Monitoring erkannt wird, dass die Klimaschutzziele möglicherweise verfehlt werden, werden weitergehende Maßnahmen zum Klimaschutz beschlossen. Wie bisher auch, werden konkrete Klimaschutzmaßnahmen in einem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) festgeschrieben. Das bisherige IEKK wird dazu fortgeschrieben.
Land nimmt bundesweite Vorreiterrolle ein
„Mit der Novelle, insbesondere mit der Photovoltaik-Pflicht, nehmen wir erneut bundesweit eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz ein“, sagte Untersteller. „Ich bin überzeugt, dass andere Länder unserem Beispiel folgen werden.“ Ministerpräsident Kretschmann ergänzte: „Wir sind gut aufgestellt beim Klimaschutz. Und wir haben im Land unsere Hausaufgaben gemacht. Jedoch werden wir es allein nicht schaffen, den Klimawandel zu bremsen und die Ziele aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erreichen. Dafür ist die Anstrengung von allen gefragt. Insgesamt wird es noch ein schweres Stück Arbeit, das uns viel abverlangt.“
Das sieht die oppositionelle SPD ganz anders: „Grün-Schwarz hat überhaupt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit“, sagte Fraktionschef Andreas Stoch der Deutschen Presse-Agentur. Es werde weit unterdurchschnittlich Kohlendioxid gespart, die Zahl der Ölheizungen sei dagegen deutlich überdurchschnittlich, und mit Windkraftanlagen und großen Photovoltaikanlagen komme Baden-Württemberg viel schlechter vorwärts als andere Länder. „Echte Vorbilder beim Klimaschutz sehen anders aus“, sagte Stoch.
Für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sind sowohl die Klimaziele als auch die Solarpflicht für neue und nicht bewohnte Gebäude eine Enttäuschung. Die Grünen hatten eine Solarpflicht für alle Neubauten gefordert – die CDU wollte aber nicht, dass Wohngebäude mit einbezogen werden. Schließlich einigten sich die Fraktionen darauf, dass die Solarpflicht für Gebäude gelten soll, bei denen der Wohnanteil fünf Prozent der überbauten Gesamtfläche nicht überschreitet. Eine Solarpflicht, die sich nur auf gewerbliche Neubauten beschränkt, ändere den Bestand an Photovoltaikanlagen aber kaum, kritisierte der BUND. Die Umweltschützer hatten eine Pflicht nicht nur für Wohngebäude, sondern auch für Dachsanierungen gefordert.
Erneuerbaren-Branche hält Gesetz für zu wenig ambitioniert
Die Erneuerbaren-Branche begrüßt zwar die die Gesetzesnovelle, schlägt aber auch kritische Töne an. Das Gesetz sei zu wenig ambitioniert. „Der Gesetzesvorschlag enthält gute und wichtige Ansätze für mehr Klimaschutz in Baden-Württemberg. Die verpflichtende kommunale Wärmeplanung für die größeren Städte und Gemeinden und die solare Überdachung von neuen Parkplätzen sind Meilensteine“, sagte Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (Plattform EE BW). „Insgesamt jedoch ist die vorgesehene Reduzierung der Treibhausgase deutlich zu gering ausgefallen. Um den Anforderungen der Pariser Klimaschutzvereinbarung halbwegs gerecht zu werden, muss das baden-württembergische Zwischenziel für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 festgelegt werden.“ Zudem sollten verbindliche Ausbaumengen für alle erneuerbare Energien in das Gesetz aufgenommen werden, fordert Dürr-Pucher.
Ein weiterer Baustein ist: Für die Erreichung der Ziele des Klimaschutzgesetzes kommt dem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept des Landes (IEKK) eine besondere Bedeutung zu. Es bildet das Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre. Auch hier bestehe noch Handlungsbedarf, ergänzt Franz Pöter, Geschäftsführer der Plattform EE BW. „Vor über einem Jahr wurden in einem breit angelegten Beteiligungsprozess über 400 konkrete Vorschläge für das IEKK gesammelt und bewertet. Es ist höchste Zeit, dass daraus direkt nach der Sommerpause ein verbindliches Maßnahmenpaket geschnürt und mit dem Gesetz in Kraft gesetzt wird“, so Pöter.
Plattform EE BW begrüßt Verfahrensbeteiligung der Regierungspräsidien
Hinzu kommt: Es brauche auch unterhalb der Landesebene verantwortliche Akteure, die den Klimaschutz voranbringen. Die vorgesehene generelle Verfahrensbeteiligung der Regierungspräsidien als Klimaschutzverwaltung begrüßt die Plattform EE BW daher ausdrücklich. Gleichzeitig müssten auch innerhalb der Landratsämter Strukturen aufgebaut werden, die mit eigenem Personal das Thema Klimaschutz besetzen und den Ausbau erneuerbarer Energien in den jeweiligen Planungsverfahren vorantreiben. „Wir erleben, dass einige Behördenvertreter durch kurzsichtiges Verwaltungshandeln Investitionen in Erneuerbare Energien verhindern und dem Klimaschutz damit einen Bärendienst erweisen. Der Aufbau einer echten Klimaschutzverwaltung auf diesen Ebenen wäre ein echter Fortschritt“, so Pöter.