Die Bedeutung von grüner Fernwärme für die klimaneutrale Wärmeversorgung in urbanen Ballungsräumen wird bis zum Jahr 2050 stark wachsen. Das legt zumindest eine aktuelle Studie des Hamburg Instituts (HI) und der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft in München (FfE) im Auftrag des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nahe. Demnach sind die Klimaziele im Wärme- und Gebäudesektor nur mithilfe eines Aus- und Umbaus der Fernwärmenetze auf Basis zunehmender Anteile von klimaneutraler Wärme aus Großwärmepumpen, Abwärme, Power-to-Heat (PtH), Solarthermie und Geothermie erreichbar.
Der Nachholbedarf in Sachen grüne Fernwärme ist noch erheblich. Nach den jüngst vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichten Daten erreichen die Erneuerbaren an der Fernwärmeversorgung im Jahr 2020 erst einen Anteil von 17,8 Prozent. In der jetzt vom BDEW vorgelegten Studie wurde analysiert, welche Maßnahmen notwendig sind, um den für das Erreichen der Klimaziele 2050 benötigten Anteil von grüner Fernwärme zu realisieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Transformation der Fernwärme-Versorgungstruktur durch die Einbindung von klimaneutraler Wärme, die Absenkung der Netztemperaturen und die Integration von Wärmespeichern.
„Die Metastudie der aktuellen Energiewendeszenarien für Deutschland zeige, dass der Anteil der Fernwärme am gesamten Wärmebedarf für Raumwärme und Warmwasser in allen Sze-narien bis 2050 ansteigt“, heißt es in der BDEW-Analyse. Vor allem die Wärmeversorgung in urbanen Ballungsräumen werde Studien zufolge zukünftig zunehmend durch grüne Fernwärme erfolgen müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Der geringste ausgewiesene Anteil klimaneutraler Wärmequellen an der Fernwärmeerzeugung liege bei über 70 Prozent im Jahr 2050.
Großteil der klimaneutralen Fernwärme stammt künftig durch Großwärmepumpen
Ein Großteil der klimaneutralen Fernwärme werde künftig durch Großwärmepumpen bereitgestellt. Weitere relevante Technologien sind Solarthermie, Geothermie, Abwärme (auch aus thermischen Abfallverwertungsanlagen) und Power-to-Heat (PtH). „Die Fernwärmeerzeugung aus Biomasse und synthetischen Brennstoffen erfolgt in den meisten untersuchten Studien in vergleichsweise geringerem Maß“, heißt es weiter. In der Studie „Klimaneutrales Deutschland“ (Prognos, 2020) werde beschrieben, dass Wasserstoff primär in kalten Perioden mit geringer Windstromeinspeisung zur Fernwärmeerzeugung eingesetzt werde. „Es ist davon auszugehen, dass auch in den anderen Studien die modellierte Fernwärmeerzeugung aus Biomasse und synthetischen Brennstoffen primär in den Fernwärme-Spitzenlastzeiten erfolgt.“
Aus Sicht des BDEW bietet die Fernwärme großes Potenzial für andere Sektoren und damit allgemein für die Energiewende. Fernwärmetechnologien wie Großwärmepumpen und Power-to-Heat-Anlagen könnten einen wichtigen Beitrag zur Sektorkopplung leisten und insbesondere in Kombination mit Wärmespeichern überschüssigen EE-Strom aufnehmen und so die Abregelung von EE-Anlagen (wie Wind und PV) verhindern.
„KWK-Anlagen leisten wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit“
Gleichzeitig ermögliche die systemdienliche Integration von KWK-Anlagen – „zukünftig auf Basis klimaneutraler Gase“ – die Bereitstellung von regelbaren und möglichst effizienten Stromerzeugungskapazitäten, die mit hoher Flexibilität auf Schwankungen in der Verfügbarkeit von EE-Strom reagieren können. Die KWK-Anlagen leisteten somit einen wichtigen Beitrag für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit von Strom und Wärme. „Gleichzeitig sorgt ihre Flexibilität dafür, dass sie keine Anlagen zur Erzeugung von klimaneutraler Wärme durch hohe Betriebsstunden in der Grundlast verdrängen, sondern diese gezielt ergänzen“.
„Der Aus- und Umbau der Fernwärme hin zur Nutzung erneuerbarer Energien erfordert verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen und ein stabiles Finanzierungsinstrumentarium“, betont Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Die ‚Bundesförderung effiziente Wärmenetze‘ bildet das Kernstück dieses Wandlungsprozesses und muss die Förderung aller relevanten Dekarbonisierungsoptionen sowie der Netztransformationsmaßnahmen beinhalten.“
„Mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr“ für BEW erforderlich
Es geht also nicht zuletzt ums Geld. Aus Sicht des BDEW ist eine „ausreichende und verlässliche Finanzierung“ der Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) im Umfang von „mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr“ bis zum Jahr 2030 notwendig. „Die BEW muss nun endlich für die investitionswilligen Fernwärmeunternehmen nutzbar werden, nachdem das Förderprogramm bereits im Mai 2017 angekündigt worden war“, fordert Andreae.
Die Studie empfiehlt zudem eine Anpassung der Wärmelieferverordnung, die in ihrer bisherigen Form den Umstieg von fossil befeuerten Heizkesseln auf grüne Fernwärme in Bestandsgebäuden verhindert. „Die Verordnung sollte stattdessen zukünftige Entwicklungen mit der CO2-Bepreisung in den Blick nehmen“, heißt es beim BDEW. Außerdem sei das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) dahingehend zu ändern, dass die Benachteiligung von Wärme aus kleineren KWK-Anlagen außerhalb des Europäischen Emissionshandels gegenüber anderen Heiztechnologien aufgehoben wird.
Weitere Forderungen der BDEW-Studie betreffen die Verbesserung der Förderbedingungen sowie der Absicherungsmechanismen für Tiefengeothermie- und Abwärmeprojekte sowie die Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Paketes in der „Bundesförderung effiziente Gebäude“ (BEG) hinsichtlich eines Transformationsplans der Fernwärmeversorger bis 2030. „Auch die Etablierung einer praxisgerechten Wärmeplanung auf Bundes- und lokaler Ebene gewinnt zunehmend an Bedeutung, damit der Aus- und Umbau der Wärmeversorgung mit einem hohen Maß an Planung, Absprache und Verlässlichkeit für die nötigen Investitionen tatsächlich erfolgt“, heißt es beim Branchenverband.