Sofortprogramm: Grüne wollen 12 GW Solarzubau und 6 GW Windkraftzubau im Jahr 2022 sicherstellen


Es soll Gesetze verhindern können, die nicht konform mit dem Pariser Klimaabkommen sind. Das ist ein zentraler Punkt eines „Klimaschutz-Sofortprogramms“, das Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und ihr Co-Parteichef Robert Habeck jetzt vorgestellt haben. Ein Schlüsselthema des Programms ist zudem der Ausbau der Wind- und Solarenergie, den die Grünen deutlich beschleunigen wollen.


Der Kohleausstieg soll dem Sofortprogramm zufolge auf 2030 vorgezogen werden – bisher ist dies für spätestens 2038 geplant, die aktuelle Marktentwicklung deutet allerdings darauf hin, dass Kohlekraftwerke innerhalb der nächsten Dekade ohnehin nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Weiterer Bestandteil des Programms sind Investitionen für Schiene, öffentlichen Nahverkehr und Rad, die bereits im Bundeshaushalt 2022 erhöht werden sollen. Ganz neu sind die Ideen nicht: Wesentliche Punkte des Sofortprogramms sind bereits im Wahlprogramm der Grünen verankert.


Nach dem Pariser Klimaabkommen soll die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad begrenzt und alles daran gesetzt werden, den Temperaturanstieg bereits bei 1,5 Grad zu stoppen. Die Bewältigung der Klimakrise wird in dem siebenseitigen Sofortprogramm als „Jahrhundertaufgabe“ bezeichnet. „Um keine weitere Zeit zu verlieren, wollen wir sofort ein umfassendes Programm mit konkreten Gesetzesinitiativen auf den Weg bringen, das neue Dynamik entfacht, schnelle Einsparungen realisiert und wichtige Weichen stellt. Wir werden im Kabinett das größte Klimaschutzpaket beschließen, das es jemals gegeben hat.“


Klima-Task-Force der Bundesregierung soll wöchentlich tagen


Um Abstimmungsprozesse innerhalb der Ministerien zu verschlanken und zu beschleunigen, soll in den ersten 100 Tagen eine „Klima-Task-Force“ der Bundesregierung im Wochenrhythmus tagen. Die Federführung hierfür solle im Klimaschutzministerium liegen.

Der Dreh- und Angelpunkt für mehr Klimaschutz und eine wettbewerbsfähige Industrie seien die erneuerbaren Energien. Deren Ausbau aber gehe derzeit viel zu langsam voran, heißt es: „Wir brauchen schnellstmöglich mehr grünen und günstigen Strom, um die klimaschädlichen Emissionen insbesondere in den Sektoren Verkehr, Industrie und Wärme zu verringern.“ Deshalb solle direkt nach der Bundestagswahl eine „Ausbauoffensive“ der erneuerbaren Energien gestartet werden.


Konkret sieht das Sofortprogramm für den Ausbau der Erneuerbaren folgende Maßnahmen vor:

  • Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG): Die Ausbauziele bei der Solarenergie sollen für 2022 auf 12 GW pro Jahr und bei Wind an Land auf 6 GW pro Jahr erhöht werden, „um sie im Weiteren gegenüber dem heutigen Stand zu verdreifachen“.
  • Auf den Dächern soll Solar zum Standard werden bei Neubau, öffentlichen Gebäuden und Gewerbegebäuden sowie bei umfangreichen Sanierungen. „Eine solche Solarpflicht verankern wir im Gebäudeenergiegesetz“.
  • Die Flächenplanung für Windkraft wollen die Grünen gesetzlich so anpassen, dass zwei Prozent der Landesfläche für Wind bereitsteht. „Einzelne Bundesländer können nur dann nach unten abweichen, wenn sie mit anderen Bundesländern vereinbaren, dass diese entsprechend mehr Flächen bereitstellen.“
  • Planungen und Genehmigungen sollen durch ein eigenes Genehmigungsrecht für Windkraft an Land gestrafft und durch verbindliche Fristvorgaben und Standardisierung der artenschutzrechtlichen Vorgaben vereinfacht werden. „In diesem Zusammenhang minimieren wir auch den Konflikt zwischen Klima- und Artenschutz durch eine Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens, u.a. durch Vereinheitlichung und Vereinfachung der notwendigen Naturschutzgutachten bei gleichzeitiger Auflage eines umfangreichen Vogel- und Fledermausschutzprogramms“, heißt es.
  • Die bestehende Blockade von mehreren Gigawatt Windkraft an Land will man „sofort auflösen“. Hierzu werde man das Regelwerk für Funknavigation im Luftverkehrsgesetz anpassen und Flächennutzungskonflikte beispielsweise zwischen der Bundeswehr oder dem Wetterradar des Deutschen Wetterdienstes „kooperativ auflösen“.
  • Der Ausbau der Offshore-Windenergie in Nord- und Ostsee soll beschleunigt werden, indem die Ziele im Wind-auf-See-Gesetz so angehoben werden, dass die installierte Leistung bis 2035 auf 35 Gigawatt steigt. Hierzu sollen die Flächennutzungspläne „unverzüglich angepasst“ werden und gleichzeitig ein Stakeholder-Dialog mit Vertretern aus Schifffahrt, Fischerei, Offshore-Branche, Naturschutz, Rohstoffabbau und Militär aufgesetzt werden, um Nutzungskonkurrenzen von Anfang an zu minimieren. „Darauf aufbauend werden Vorrang- und Vorbehaltsflächen festgeschrieben, die die Raumnutzungskonkurrenzen zugunsten des Klima- und Naturschutzes entschärfen.“
  • Ein Bürgerenergiewende-Fonds soll die anfänglichen Kosten für kleine Akteure absichern. „Damit stärken wir Bürger-Projekte und schaffen zugleich mehr Akzeptanz für die Energiewende.“
  • Der Netzausbau soll durch eine Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes beschleunigt und darüber der für 2035 geplanten Netzausbau auf 2030 vorgezogen werden.

Neben dem Ausbau der Erneuerbaren im Stromsektor widmet sich das Sofortprogramm auch weiteren Maßnahmen im Bereich der Wärme- und Verkehrswende. So soll das Gebäudeenergiegesetz weiterentwickelt und die energetischen Standards für Neubauten und Sanierungen angehoben werden. Ein Förderprogramm soll den Enbau von zwei Millonen effizienten Wärmepumpen bis 2025 anreizen. Energetische Sanierung sollen gestärkt und die Fördermittel für die Wärmewende von 3 auf 7 Mrd. € angehoben werden.


„Große deutsche Autokonzerne sind beim Thema E-Autos weiter als Teile der Politik“


Mit Blick auf den Verkehrsbereich heißt es bei den Grünen: „Große deutsche Autokonzerne sind beim Thema E-Autos weiter als Teile der Politik. Wir werden ihnen einen verlässlichen Rahmen geben und dafür sorgen, dass genügend grüner Strom vorhanden ist.“ Geplant ist unter anderem ein neuer „Masterplan Ladeinfrastruktur“, mit dem die Rahmenbedingungen bei der Genehmigung und beim Bau verbessert und das Laden bequemer und einfacher werden soll. „Zudem werden wir eine Extraprämie über die bestehende Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur einführen, wodurch ein engmaschiges Ladesäulennetz entsteht.“