Brüssel will Sanierung der energetisch ineffizientesten Gebäude forcieren


Ziel sei es, nicht nur die Treibhausgasemissionen, sondern auch die hohen Energierechnungen vieler Verbraucher zu senken, heißt es in einer Mitteilung der Kommission. Für notwendige Anschubinvestitionen stehe auf europäischer Ebene finanzielle Unterstützung bereit und finanzielle Hilfe durch die EU-Staaten soll erleichtert werden.


Mit der Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) werde der bestehende Rechtsrahmen modernisiert, um ehrgeizigeren Zielen und dringenderen Erfordernissen in den Bereichen Klimaschutz und Soziales gerecht zu werden. Gleichzeitig soll den Mitgliedstaaten die nötige Flexibilität eingeräumt werden, um den Unterschieden im Gebäudebestand innerhalb Europas Rechnung zu tragen, heißt es aus Brüssel. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen die Renovierungsquote erhöhen, insbesondere in Bezug auf die in den einzelnen Mitgliedstaaten am schlechtesten abschneidenden Gebäude. „Entscheidend dabei ist, dass die überarbeitete Richtlinie eine gezieltere Finanzierung von Investitionen im Gebäudesektor ermöglicht und andere EU-Instrumente zur Unterstützung schutzbedürftiger Verbraucher und zur Bekämpfung der Energiearmut ergänzt.“


Konkret sollen EU-weite Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz der am schlechtesten abschneidenden Gebäude eingeführt werden, wobei es den Mitgliedstaaten überlassen bleibe, zusätzlich eigene Normen festzulegen. Durch ein besonderes Augenmerk auf Renovierungshindernisse sollen mit dem vorliegenden Vorschlag die Kosten von Hauseigentümern und Mietern gesenkt werden. Dazu werde der Schwerpunkt auf Gebäude gelegt, deren Renovierung am kosteneffizientesten ist und die größten Einsparungen in Bezug auf Energieverbrauch, CO2-Preis, Steuern und Tarife bewirke.


Ein Haus der Gesamtenergieeffizienzklasse G verbraucht im Durchschnitt etwa zehnmal mehr Energie als ein Niedrigstenergiegebäude oder ein emissionsfreies Gebäude. Die Modernisierung dieser Gebäude durch Renovierung auf die Gesamtenergieeffizienzklasse F führe in der gesamten EU zu jährlichen Energieeinsparungen zwischen 4,6 und 6,2 Mio. Tonnen Rohöleinheiten (RÖE). Eine Modernisierung auf die Energieeffizienzklasse E werde noch einmal etwa zwei Drittel mehr Energieeinsparungen bewirken.


Bis 2030 stehen bis zu 150 Mrd. € für Renovierung von Gebäuden mit schlechter Effizienz zur Verfügung


Nach dem Vorschlag der Kommission beträfe die Renovierung von im Energieausweis in die Klasse G eingestuften Gebäuden zur Erreichung der Klasse F etwa 30 Mio. Gebäudeteile. Die Kommission helfe bei der Mobilisierung von Finanzmitteln für die anfänglichen Investitionskosten für diese Gebäudeteile, wobei für die Umsetzung der Mindestnormen an die Gesamtenergieeffizienz bis 2030 bis zu 150 Mrd. € aus dem EU-Haushalt zur Verfügung stehen.


Die Finanzmittel stammen aus verschiedenen Quellen, unter anderem dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem Kohäsionsfonds und der Aufbau- und Resilienzfazilität, insbesondere dank der in den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen stark vertretenen Leitinitiative „Renovieren“. Auch der vorgeschlagene neue Klima-Sozialfonds werde 72,2 Mrd. € aus dem EU-Haushalt für den Zeitraum 2025-2032 mobilisieren, um insbesondere die Haushalte in den Gebäuden mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz zu unterstützen. Um eine effiziente Kombination von öffentlicher und privater Finanzierung zu ermöglichen, arbeite die Kommission auch daran, den Rahmen für staatliche Beihilfen besser auf die Anforderungen der EU-weiten Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz auszurichten.


Auch die nationalen Gebäuderenovierungspläne müssten sicherstellen, dass ausreichende Mittel und Unterstützung vorhanden sind, um auf nationaler Ebene Finanzmittel bereitzustellen und private Investitionen zu mobilisieren. Fehlende Finanzmittel sind laut EU-Kommission eines der größten Hindernisse für die Gebäuderenovierung. Eines der Ziele der neu eingeführten nationalen Gebäuderenovierungspläne (National Building Renovation Plans – NBRPs) besteht darin, eine kohärente Mittelverwendung zu gewährleisten, die Schlüsselbereiche zu ermitteln und die am besten geeigneten Instrumente zu schaffen.


Begriff der „umfassenden Renovierung“ soll oberflächliche Ansätze vermeiden


Um oberflächliche Renovierungen zu vermeiden, enthält die EPBD eine Definition des Begriffs „umfassende Renovierung“. Dies ermögliche die gezielte Ausrichtung auf Renovierungsvorhaben und Förderprogramme, die hohe Energieeinsparungen bewirken, und von höheren finanziellen Anreizen und technischen Unterstützungsmaßnahmen profitieren werden. Die private Finanzierung soll auch durch verbesserte Informationsinstrumente unterstützt werden, insbesondere durch den Renovierungspass, den Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz und die Datenbanken für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Dies werde Finanzinvestoren dabei helfen, „die Vorteile der Dekarbonisierung von Gebäuden zu monetarisieren“. Geplant sind auch neue „Hypothekenportfoliostandards“, um Kreditgebern Anreize zu bieten, die Gesamtenergieeffizienz ihres Gebäudeportfolios zu verbessern. Damit sollen potenzielle Kunden ermutigt werden, ihre Immobilien energieeffizienter zu gestalten.


Fossile Brennstoffe für die Wärmeversorgung müssten nach den EU-Plänen bis 2040 schrittweise abgeschafft werden, wenn die direkten Emissionen des Gebäudesektors bis dahin um etwa 80-89 Prozent zurückgehen sollen. Um die rasche Einführung von Heizungsanlagen ohne direkte Emissionen zu fördern, enthält der EPBD-Vorschlag die Anforderung, dass emissionsfreie Gebäude vor Ort keine CO2-Emissionen erzeugen dürfen.


Keine Förderung für fossil betriebene Heizungen mehr ab dem Jahr 2027


Da die Lebensdauer von Heizungsanlagen etwa 20 Jahre beträgt, ist in der EPBD vorgesehen, dass mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizkessel ab 2027 nicht mehr für eine öffentliche Unterstützung in Betracht kommen. Der EPBD-Vorschlag sieht zwar kein Ausstiegsdatum für mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizkessel auf EU-Ebene vor, doch werde mit ihm eine „klare Rechtsgrundlage“ für nationale Verbote eingeführt. Sie ermögliche es den Mitgliedstaaten, Anforderungen an Wärmeerzeuger auf der Grundlage der Treibhausgasemissionen oder der Art des verwendeten Brennstoffs festzulegen. „Mehrere Mitgliedstaaten halten solche Maßnahmen für entscheidend dafür, dass die Dekarbonisierung des Gebäudebestands verwirklicht und Luftqualität und Gesundheit verbessert werden können“, heißt es von Seiten der EU-Kommission.


Laut Berechnungen des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GDW) ginge es in Deutschland um drei Millionen Gebäude, die nach den Vorschlägen aus Brüssel dringend saniert werden müssten. Öffentliche und nicht bewohnte Bauten sollen laut dem Vorschlag bis 2027, Wohnungen und Häuser bis 2030 renoviert werden. Alle Neubauten müssten ab 2030 komplett klimaneutral sein, also keine Treibhausgase mehr ausstoßen. Der Gebäudesektor ist laut Umweltbundesamt für etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Der Bereich hat 2020 als einziger Sektor sein Klimaschutzziel verpasst.


ZVEI vermisst Anreize zu systematischer Digitalisierung in den Plänen der EU-Kommission


Aus Sicht des Elektronikverbands ZVEI wären eine nachhaltige Elektrifizierung und Digitalisierung wichtige Schlüssel für mehr Energieeffizienz im Gebäudesektor. Dem werde der jetzt veröffentlichte Entwurf für die Revision der europäischen Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (EPBD) „nicht hundertprozentig gerecht“. Technologien, die die Energieeffizienz von Gebäuden steigern und den Komfort der Nutzer verbessern, existierten bereits. „Der Einsatz energieeffizienter technischer Gebäudeausrüstung (TGA) kann entscheidend dazu beitragen, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen und die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren“, sagt Sebastian Treptow, Leiter der ZVEI-Plattform Gebäude. Richtig sei die Entscheidung, auch für die sogenannte Deep Renovation – umfangreiche, tiefe und zukunftssichere Renovierungsmaßnahmen – Anreize zu bieten.


Der ZVEI spricht sich für eine Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden in Hinblick auf Emissionen und Kosten aus. „Richtigerweise findet sich dieser Ansatz auch in der EPBD wieder.“ Jedoch würden hier Lösungen für digitales Planen und Bauen wie etwa das Building Information Modeling (BIM) derzeit noch nicht ausreichend berücksichtigt. Mit Blick auf die Digitalisierung von Gebäuden sollte auch der Smart Readiness Indicator (SRI) gestärkt werden und perspektivisch auch für Wohngebäude verpflichtend sein. „Er kann dazu beitragen, dass Renovierungsmaßnahmen zukunftssicher gestaltet und innovative Technologien effektiv eingesetzt werden.“ Der SRI sollte bei der Einführung des Gebäuderenovierungspasses berücksichtigt und dokumentiert werden.


Ein weiterer wichtiger Schritt hin zu mehr Elektrifizierung und Digitalisierung von Gebäuden wäre der breite Einsatz von Energiemanagementsystemen. Energiemanagementsysteme sollten verpflichtend in Gebäuden der öffentlichen Hand installiert werden. „Ihr Einsatz im Zweck- und Wohnbau sollte in Kombination mit dem Einbau von PV-Anlagen und Speichern gezielt gefördert werden.“