BDI fordert Priorität der energetischen Nutzung von Biomasse für Industrie und Fernwärme


Um eine systemdienliche Verteilung der begrenzten Ressource Biomasse zu gewährleisten, müsse eine Biomassestrategie Potenziale zur Kaskadennutzung heben und zum anderen die Umverteilung in großtechnische Industrie- und Fernwärmeanlagen mit perspektivischer Anwendung von Beccus-Ansätzen (Bioenergy with Carbon Capture, Utilization and Storage) zur Erzeugung negativer Emissionen priorisieren. „Dafür muss Biomasse von derzeitigen Anwendungen in der Stromproduktion, in Pelletheizungen sowie in der Biokraftstoffproduktion vor allem in die Industrie und Fernwärme umgeleitet werden.“ Hierzu sei ein Auslaufen entsprechender Förderungen notwendig. Die Studie nennt hier die EEG-Förderung und die Capex-Förderung von Biomasse im Neubau.


BDI für Umlenkung von Biomasse aus Stromerzeugung oder Pelletheizungen


Drei Gründe sprechen aus Sicht der von der Boston Consulting Group für den BDI erarbeiteten Studie für eine entsprechende Umwidmung der Biomasse-Ressourcen in die Bereiche Industrie und Fernwärme. „Erstens kann sie hier mit sehr hohen Wirkungsgraden höhere Temperaturen erzeugen, zweitens wird sie im Zusammenspiel mit Power-to-Heat komplementär zum Stromsystem eingesetzt, und drittens eröffnet eine zentrale Verbrennung zukünftig die Möglichkeit, mit Bioenergie-CCUS negative Emissionen zu erzeugen, die Deutschland 2045 in erheblichem Umfang benötigt.“


Die Nutzung von Biomasse ist der Studie zufolge die „volkswirtschaftlich kosteneffizienteste Option“ für industrielle Wärmeerzeugung bis 500 Grad Celsius. Aufgrund der neuen Klimaziele müsse bereits ein großer Teil der Industriewärme bis 2030 erneuerbar sein, „einem Zeitraum, in dem große Teile der in Deutschland nachhaltig verfügbaren Biomasse noch in anderen Sektoren gebunden sind“. In Konsequenz ergebe sich ein diverserer industrieller Wärmemix, in dem vor allem mehr Power-to-Heat eingesetzt werden müsse.


Je nach Einsatzgebiet gebe es unterschiedliche optimale Lösungen zur Bereitstellung von Prozesswärme. Zur Hochtemperaturerzeugung (mehr als 500 Grad Celsius) sollte perspektivisch vor allem Power-to-Heat zum Einsatz kommen. „Außerdem ist ein Einsatz grüner Gase wie Biomethan und Wasserstoff in mehreren Industriezweigen prozesstechnisch erforderlich, da sie zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit gebraucht werden oder strombasierte Alternativen derzeit nicht zur Verfügung stehen.“ Bei Mitteltemperaturanwendungen spielten grüne Gase nur eine geringe Rolle. Hier sollten vor allem Biomasse und Power-to-Heat zum Einsatz kommen. Für niedrige Temperaturen bis etwa 130 Grad Celsius sei der Einsatz industrieller Wärmepumpen am günstigsten, wie auch der Anschluss an Fernwärme oder industrielle Abwärme.


20 Prozent der Industriewärme im Jahr 2045 aus fester Biomasse


Im Zielpfad werden in der Industriewärme im Jahr 2045 zu 47 Prozent Strom, zu 20 Prozent Biomasse, zu 26 Prozent grüne Gase wie Wasserstoff und Biomethan, zu 4 Prozent Fern- und Abwärme sowie zu 4 Prozent Umweltwärme genutzt.


Die gesamte industrielle (Prozess-)Wärmeproduktion müsse, wo möglich, bei jeder Reinvestition in Neuanlagen auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Dies umfasse eine Elektrifizierung der Hoch- und Mitteltemperaturanwendungen (plus 67 TWh in 2030), den Einsatz von Biomasse vor allem in der Mitteltemperatur (plus 23 TWh in 2030) und von grünen Gasen vor allem in der Hochtemperatur (plus 40 TWh in 2030) sowie Fernwärme und Wärmepumpen in der Niedertemperatur.


Die geforderte Priorisierung des Biomasseeinsatzes auf die Fernwärme steht vor dem Hintergrund, dass Fernwärme aktuell zwar lokal emissionsfrei, aber kein „grüner“ Wärmeträger ist. Über 70 Prozent der benötigten Wärme wurde 2019 aus fossilen Brennstoffen erzeugt, davon 30 Prozent aus mit Kohle betriebenen Kraftwärmekopplungsanlagen (KWK). „Bereits bis 2030 muss sich dieser Mix deutlich verändern“, heißt es. Anlagen zur Wärmeerzeugung mit Kohle werden im Zielpfad gleichzeitig mit dem Kohleausstieg im Jahr 2030 stillgelegt. Die entstehende Lücke muss durch einen deutlichen Zubau von („H2-ready“) Gas-KWK geschlossen werden, „in Kombination mit einer Erschließung neuer Wärmequellen wie Biomasse, Power-to-Heat, Wärmespeichern und der Nutzung von Abwärme.“