Bei der Quartiersversorgung mit Fernwärme aus regenerativen Energien könnten Niedertemperatur-Technologien eine wichtige Rolle spielen. „Der wesentliche Vorteil niedriger Temperaturen in Fernwärmenetzen ist, dass erneuerbare Wärmequellen wie Solarthermie, Geothermie und Abwärme effizient und kostengünstig genutzt werden können“, heißt es von Seiten der TU Darmstadt. In Kombination mit Wärmepumpen könnten sowohl Neubauten als auch der Bestand versorgt werden.
Ein jetzt erschienenes Handbuch zur Versorgung von Quartieren mit Niedertemperatur-Fernwärme enthält die Ergebnisse des Annex TS2–Forschungsprojekts, das von 2018 bis 2021 im Rahmen des Programms District Heating and Cooling (DHC) der Internationalen Energieagentur (IEA) durchgeführt wurde. Beispielhaft wird in dem Handbuch das Energiesystem des Campus Lichtwiese der TU Darmstadt analysiert. Durch die Auswertung der umfangreich verfügbaren Messdaten und die Definition geeigneter Kennzahlen könnten Schwachstellen ermittelt und die Gebäude und Heizkreise identifiziert werden, bei denen das größte Potential zur Temperaturabsenkung besteht.
„Die Absenkung der Netztemperaturen ist nur möglich, wenn die Versorgungssysteme in den Gebäuden dies auch zulassen“, betonen die Experten der TU Darmstadt. Herausfordernd sei dies am Campus Lichtwiese vor allem bei den ältesten Gebäuden aus den 1960er und 1970er Jahren. Im Rahmen des Projekts „EnEff:Stadt Campus Lichtwiese“ wurden vom Fachgebiet Entwerfen und Nachhaltiges Bauen, Fachbereich Architektur, beispielhaft Niedertemperatur-Heizsysteme untersucht, die in das denkmalgeschützte Architekturgebäude integriert wurden. In zwei Fachgebieten wurden dabei verschiedene Niedertemperatur-Deckenheizsysteme installiert.
Senkung der Vorlauftemperatur um 30 Grad Celsius auch in extrem kalten Winterwochen
Die Monitoringergebnisse aus der ersten Heizperiode belegten das Potential zur Temperaturabsenkung selbst bei unsanierter Gebäudehülle: Sogar in einer extrem kalten Winterwoche konnte die Vorlauftemperatur um über 30°C gesenkt werden. „Mit den umgesetzten Maßnahmen gelingt es schon heute, das Architekturgebäude kompatibel für das ‚post-fossile’ Energiesystem von morgen zu machen“, heißt es.
Die Forschungsergebnisse fließen ein in die Planungen des Dezenats V Baumanagement und Technischer Betrieb der TU Darmstadt zur energetischen Weiterentwicklung des Campus Lichtwiese. „Die erforderliche Technologie zur Absenkung der Temperaturen in Fernwärmenetzen ist verfügbar und kann einen zentralen Beitrag zum Klimaschutz im Gebäudesektor leisten.“
Das Handbuch wurde unter Beteiligung des Fachgebiets Technische Thermodynamik der TU Darmstadt von 17 internationalen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verfasst. Neben technischen Fragestellungen sowohl auf der Gebäude- als auch der Netzseite werden auch ökonomische Aspekte von Niedertemperatur-Fernwärme betrachtet.